Umgang mit Angsthunden

Tipps für den Alltag

Ein Angsthund liegt im Hundebett. © Andrea Schotter
Es gibt viele Möglichkeiten, Ihren ängstlichen Hund im Alltag zu unterstützen.

Die Begleitung eines ängstlichen Hundes im Alltag kann eine echte Herausforderung sein. Ganz egal ob sich ein Hund vor Geräuschen, vor Gewitter, vor Autos oder vor Menschen fürchtet – das Leben von Mensch und Hund wird durch die Ängste des Hundes oft stark beeinflusst und die Lebensqualität aller Beteiligten sinkt. Um einen ängstlichen Hund im Alltag gut unterstützen zu können, ist es hilfreich sich mit dem Thema Angst zu beschäftigen. Im Folgenden haben wir die wichtigsten Grundlagen und einige hilfreiche Tipps für das Leben mit ängstlichen Hunden zusammengestellt.

Angst, Furcht, Phobie  – Klarheit im Begriffs-Dschungel

Angst und Furcht sind Emotionen, die mit Unsicherheit, Unbehagen und Unwohlsein einhergehen. So negativ das auf den ersten Blick klingen mag –  sie sind überlebenswichtig, denn sie schützen den Körper vor gefährlichen Situationen. Durch eine vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen wird der Körper in Alarmbereitschaft versetzt. Die Stresshormone führen zu körperlichen Reaktionen, wie einer schnellen flachen Atmung und einer erhöhten Herzfrequenz.

Zur Furcht gehört immer ein konkreter Auslöser. Das können ganz verschiedenen Dinge sein, wie zum Beispiel ein bestimmter Phänotyp Mensch (z. B.: Mensch mit Hut), bewegte Objekte (z. B.: Fahrrad, Roller, Auto, Heißluftballon) oder Geräusche (z. B.: Schüsse, Donner).

Bei Angst handelt es sich hingegen um ein diffuses Unbehagen, bei dem kein greifbarer Reiz vorhanden sein muss. Sie bezieht sich oft auf einen ganzen Kontext (z. B.: Angst außerhalb der Wohnung, Angst vor einem aufziehenden Gewitter). Im alltäglichen Sprachgebrauch und auch in diesem Text werden die Begriffe Angst und Furcht synonym gebraucht. Dennoch ist es hilfreich zu unterscheiden, ob sich der Hund vor konkreten Dingen fürchtet oder ob er sich generell in verschiedenen Situationen und Kontexten ängstlich zeigt, da dies für das Training mit dem Tier einen Unterschied macht.

Die Phobie ist eine Angststörung, bei der es durch eine übersteigerte Furcht vor einem bestimmten Reiz zu übermäßigen körperlichen Reaktionen kommt. Sie wirkt sich massiv negativ auf die Lebensqualität aus und sollte immer verhaltenstherapeutisch behandelt werden.

Wenn Ihr Hund im Alltag häufig starkes oder lang andauerndes Angstverhalten zeigt, handelt es sich möglicherweise um eine Angststörung, die verhaltenstherapeutisch diagnostiziert und behandelt werden sollte. Tierarztpraxen, die sich im Bereich Verhaltensmedizin und Verhaltenstherapie spezialisiert haben, finden Sie unter anderem auf der Webseite der Gesellschaft für Tierverhaltensmedizin und -therapie GTVMT.

Reaktionen auf Angst und Furcht – Die 4 F´s

Bei der Empfindung von Angst oder Furcht reagieren Hunde sehr unterschiedlich. Man kann diese Reaktionen zusammenfassend in vier Kategorien einteilen.

  • Flight (Flucht)

    Viele Hunde versuchen aus unangenehmen und bedrohlichen Situationen zu fliehen. Wenn dies jedoch durch eine Begrenzung (Leine, Zaun, Engstelle) nicht möglich ist, wählen Hunde, die in bedrohlichen Situationen eigentlich gerne fliehen würden, manchmal eine der anderen Strategien.

  • Fight (Angriff)

    Getreu dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ entscheiden sich Hunde im Fight-Modus für den Weg nach vorne. Sie drohen, knurren, bellen und greifen im Zweifel auch an. Hierbei handelt es sich um ein defensives Aggressionsverhalten, welches ausschließlich der Selbstverteidigung und der Distanzvergrößerung zum furchtauslösenden Reiz dient.

  • Freeze (Erstarren)

    Manche Hunde erstarren, sobald sie in eine beängstigende Situation geraten. Sie wirken, als würden sie gerne im Boden verschwinden und unsichtbar werden. Angstbedingtes Erstarren wird manchmal fälschlicherweise als stures oder bockiges Verhalten interpretiert, da die Hunde sich nicht vom Fleck weg bewegen lassen. Hinter diesem Verhalten steckt aber etwas ganz anderes als Unwille und Sturheit – nämlich Überforderung, Angst oder sogar Panik.

  • Fiddle (soziale Interaktion)

    Als könnte man Angst und Spannung „wegalbern“,  reagieren manche Hunde auf Bedrohung mit überdrehtem Spielverhalten. Während dies auf den ersten Blick niedlich wirken kann, ist es eine Übersprunghandlung und sollte von freudigem Spielverhalten unterschieden werden.

Tipps für den Alltag mit einem ängstlichen Hund

So unterschiedlich die Reaktionen und Verhaltensweise von Hunden sind, so individuell sollte der Umgang mit ängstlichen Hunden sein. Dennoch gibt es einige allgemeine Tipps, die den Umgang mit ängstlichen Hunden erleichtern können:

Tierärztliche Untersuchung
Zeigt ein Hund ungewöhnliches oder übermäßiges Angstverhalten, ist es ratsam den Hund tierärztlich untersuchen zu lassen. Nicht selten gehen Angst und Furcht mit körperlichen Ursachen und Schmerzen einher. Auch hormonelle Erkrankungen können zu Verhaltensänderungen führen. Sie erleichtern die Diagnostik deutlich, wenn Sie das Verhalten Ihres Hundes dokumentieren. In welchen Situationen tritt das Angstverhalten auf? Gibt es tageszeitliche Schwankungen? Können Sie Zusammenhänge zur Fütterung, zum Schlafverhalten oder zu bestimmten Aktivitäten erkennen?

Social Support
Es hält sich leider immer noch der Mythos, dass Tiere in ihrer Angst verstärkt werden, wenn man sich ihnen zuwendet. Das stimmt nicht. Hunde sind hochsoziale Wesen und sie profitieren davon, in bedrohlichen Situationen nicht allein zu sein. Ihnen hilft die Anwesenheit ihrer Bezugsperson, viele Hunde suchen auch Körperkontakt und den Schutz beim Menschen. Mit sozialem Beistand zeigen Sie Ihrem Hund Unterstützung und geben ihm Sicherheit. Dabei sollten Sie sich Ihrem Hund jedoch nicht aufdrängen. Der Hund entscheidet, wieviel Kontakt er benötigt. Aber Achtung: Sind Sie selbst von den Ängsten Ihres Hundes stark gestresst und emotional involviert, können Sie Ihrem Hund möglicherweise keinen sicheren Rückzug bieten. Sollten Sie sich nicht in der Lage fühlen, Ihren Hund souverän zu unterstützen, findet sich in der Familie vielleicht eine andere Person, die diese Aufgabe übernehmen kann.

Routinen im Alltag
Ängstliche Hunde profitieren enorm von einem strukturierten Alltag und vielen Routinen. Gestalten Sie das Leben ihres Hundes vorhersehbar, denn das schafft Sicherheit für den Hund. Hilfreiche Routinen sind zum Beispiel ein Kauartikel auf dem Ruheplatz nach dem Spaziergang, feste Ruhe- und Aktivitätszeiten, ritualisierte Spaziergänge, die immer ähnlich ablaufen oder auch eine konditionierte Unterlage (Decke), die für Pflegemaßnahmen wie Bürsten, Zähneputzen oder Krallenschneiden verwendet wird. So kann sich der Hund leichter auf die verschiedenen Aktivitäten einstellen und kann absehen, was auf ihn zukommt.

Machen Sie es sich leicht
Auch wenn es wichtig ist, an den Ängsten des Hundes zu arbeiten, sollten diese nicht den ganzen Alltag bestimmen. Gönnen Sie sich und Ihrem Hund regelmäßig Auszeiten und machen Sie Dinge, die Ihrem Hund leicht fallen. Wenn Spaziergänge für Ihren Hund anstrengend sind, dann entscheiden Sie sich ab und zu bewusst für ein kleines Beschäftigungsprogramm im eingezäunten Garten. Sollten Umweltreize und hochfrequentierte Straßen für Ihren Hund ein Problem darstellen, fahren Sie regelmäßig an ruhige Orte und genießen Sie mit Ihrem Hund eine Pause von der Stadt. Das ist keine Flucht vor den Problemen, sondern ein bewusstes Aufladen der eigenen Akkus, um genug Kraft für den oft fordernden Alltag mit einem ängstlichen Hund zu haben.

Selbstbewusstsein stärken
Stärken Sie das Selbstbewusstsein Ihres Hundes. Dabei kann ein Hunde-Hobby hilfreich sein, bei dem Ihr Hund seine Ängste hinter sich lassen kann. Gut eignen sich Tätigkeiten, bei denen die Hundenase zum Einsatz kommt, wie Mantrailing, Zielobjektsuche, Fährtenarbeit & Co, denn dabei vergessen viele Hunde alles, was um sie herum geschieht. Aber auch schon das Einüben von kleinen Tricks kann das Selbstbewusstsein eines Hundes fördern. Viele Hunde profitieren auch von Cavaletti- und Balance-Training, durch das die Trittsicherheit, die Körperwahrnehmung und das Selbstvertrauen des Hundes verbessert werden können. Egal was Sie mit Ihrem Hund trainieren – arbeiten Sie stets kleinschrittig und mit hochwertiger Belohnung, so dass Ihr Hund motiviert, freudig und angstfrei bei der Sache ist.

„Ich bin kein Angsthase“
Selbst ein Hund, der extrem ängstlich ist und dadurch sein Leben nur sehr eingeschränkt genießen kann, ist mehr als nur ein Angsthund. Auch ängstliche Hunde können freudig und verspielt, frech und neugierig, genervt oder frustriert sein. Angst ist nur eine von vielen Emotionen, die der Hund empfindet. Auch wenn diese Emotion vieles überlagert, ist es wichtig den Hund nicht nur mit dem Stempel „Angsthase“ zu sehen, sondern seine vielen Facetten zu erkennen und zu fördern.


Den Alltag mit einem ängstlichen Hund zu teilen, ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, die mit jeder Menge Kompromissen, viel Training und einer großen Portion Geduld verbunden ist. Ängste sollten nicht unterschätzt werden, da sie sowohl psychische als auch physische Auswirkungen haben und die Lebensqualität des Hundes stark einschränken. Sollten Sie mit dem ängstlichen Verhalten Ihres Hundes überfordert sein, suchen Sie sich professionelle Hilfe. Mit der entsprechenden Unterstützung durch verantwortungsvolle Tierhalter:innen können auch ängstliche Hunde ein erfülltes und glückliches Hundeleben führen. Oft wächst dabei eine ganz besondere Bindung zwischen Mensch und Tier.

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