Sulzbach/Ts., 27. Dezember 2023 – Erste Vorboten, gezündet von ungeduldigen Pyrotechnikfreunden, sind ab dem Start des Feuerwerkverkaufs am Donnerstag zu erwarten. Sonntag ist es dann so weit: Die für Wild- und Haustiere schlimmste Nacht des Jahres steht an. Während viele Menschen an Silvester freudig das alte Jahr verabschieden und sich auf die kommenden Monate freuen, leiden zahlreiche Tiere unter dem unvorhersehbaren und für sie unerklärlichen Lärm. Die Tierschutzorganisation TASSO e.V., die Europas größtes kostenloses Heimtierregister betreibt, möchte möglichst viele Hunde und Katzen vor diesem Stress und vor allem vor dem Entlaufen schützen und gibt daher wichtige Tipps.
Das Jahr 2023 begann mit einem traurigen Rekord. Nach den Einschränkungen und Entbehrungen durch die Corona-Pandemie wollten viele Menschen wieder ausgelassen feiern. Mit Folgen für zahlreiche Hunde und Katzen, die während dieser Zeit angstvolle Stunden durchstehen mussten. Mehr als 1.100 Tiere wurden am 31.12.2022 und am 01.01.2023 in der TASSO-Notrufzentrale als vermisst verzeichnet. „Wir wissen, dass an Silvester und Neujahr so viele Tiere entlaufen, wie an keinem anderen Tag, aber diese enorme Zahl war auch für uns schockierend“, sagt Heike Wempen-Dany, Leiterin der TASSO-Notrufzentrale. „Vor allem bei den Hunden sind die Zahlen einfach extrem. Entliefen an einem durchschnittlichen Tag im Jahr 2023 88 Hunde, waren es an den beiden Tagen des Jahreswechsels 333 täglich.“ Die vermissten Katzen lagen etwa im jährlichen Durchschnitt.
Das sei aber kein Grund anzunehmen, dass Katzen weniger leiden, sagt Lisa Borchard, Referentin Tierschutz bei TASSO und Tierärztin mit dem Schwerpunkt Tierverhalten. „Freigängerkatzen werden glücklicherweise in dieser Zeit von ihren Halter:innen weniger oder gar nicht rausgelassen und entlaufen dadurch seltener. Dennoch macht auch ihnen die Situation an Silvester oft schwer zu schaffen.“ Nach Meinung von TASSO ist es ein wichtiger Teil der verantwortungsvollen Tierhaltung, die Haustiere möglichst vor dieser Angst zu schützen. Borchard: „Psychische Leiden sollten genauso ernstgenommen werden wie körperliche Erkrankungen. Bei länger andauernder oder starker Angst schüttet der Körper Stresshormone aus, die zum Beispiel zu einer erhöhten Herz- und Atemfrequenz führen. Ähnliches passiert im Körper, wenn ein Tier Schmerzen hat. Kurz gesagt: Wer Angst hat, leidet.“ Auch schon bei Tieren, die milde Stressreaktionen zeigen, sollten Tierhalter:innen eingreifen und das nicht abtun, appelliert Borchard. Spätestens wenn nach der Silvesternacht noch Probleme da sind, sollten Tierhalter:innen überlegen, was sie für das kommende Silvester ändern können. Denn es besteht zusätzlich die Gefahr der Generalisierung der Geräuschangst. Anfangs steht die Angst vor Feuerwerk im Vordergrund, häufig wird daraus aber im Laufe der Zeit eine Gewitterangst oder sogar eine generalisierte Geräuschangst, bei der viele verschiedene laute Alltagsgeräusche für das Tier problematisch werden.
Tipps für einen sicheren Jahreswechsel
- Zu Hause bleiben: Ob Hund oder Katze, ob sichtbare Angst oder nicht. Am besten bleiben Tierhalter:innen in der Silvesternacht bei ihren Vierbeinern und lassen sie nicht alleine. So haben diese immer die Gewissheit, dass ihre Menschen für sie da sind.
- Reize aussperren: Rollos runter, Musik oder Fernsehen an. Alles was hilft, den ungewohnten Lärm auszusperren kann den Vierbeinern helfen, zu entspannen.
- Rückzugsort anbieten und respektieren: Einige Hunde und Katzen ziehen sich gerne zurück, wenn sie Angst haben. Ihre Menschen können sie dabei unterstützen, in dem sie freien Zugang zu diesen Rückzugsorten ermöglichen und diese gemütlich einrichten. Es ist hilfreich, diese Rückzugsorte bereits im Vorfeld, also Wochen vor Silvester, positiv zu verknüpfen. Beispielsweise indem man dem Hund dort seine Lieblingsdecke hinlegt und eine Kaustange anbietet.
- Sozialen Beistand leisten: Wenn ein ängstliches Tier die Nähe seines Menschen sucht, sollte dieser für ihn da sein. Einige Tiere möchten ihre Zweibeiner:innen nur in der Nähe wissen, andere suchen möglichst engen Kontakt und fordern Streicheleinheiten. „Es ist ein Mythos, dass sich die Angst der Tiere verstärkt, wenn wir für sie da sind“, räumt Borchard mit einem weitverbreiteten Irrglauben auf.
- Wegfahren: Gerade mit Hunden gilt: Wer in einem belebten Ort wohnt, in dem Silvester ausgiebig gefeiert wird, sollte nach Möglichkeit einfach wegfahren. „Beispielsweise zu Freunden oder Verwandten, die dort leben, wo es ruhig ist oder auf eine der Inseln auf denen das Böllern verboten ist“, schlägt Borchard vor. „Wenn eine längere Abwesenheit nicht möglich ist, kann auch eine nächtliche Fahrt über die Autobahn oder ein Ausflug an Orte, wie Nationalparks oder in die Nähe von Flughäfen, wo Feuerwerk untersagt ist, helfen.“
- Sichern, sichern, sichern: Natürlich müssen Hunde auch an Silvester und Neujahr das Haus verlassen und sich lösen. Dabei ist es dann wichtig, sie gut zu sichern. Am besten doppelt, mit einer Leine am Halsband und einer weiteren am Geschirr. Für ängstliche Hunde bietet sich zudem ein Sicherheitsgeschirr mit zusätzlichem Bauchgurt an. Für den Notfall sollten Hunde unbedingt die TASSO-Plakette gut sichtbar am Halsband oder Geschirr tragen. Das gilt ab sofort, denn leider werden bereits mit dem Beginn des Feuerwerksverkaufs vielerorts Böller und Raketen gezündet.
- Für den Ernstfall: Die Mitarbeitenden der TASSO-Notrufzentrale sind auch in der Silvesternacht durchgängig für Tierhalter:innen da. Sie geben wertvolle Tipps für die Suche, kümmern sich darum, dass die Suchmeldungen erstellt werden und beruhigen aufgebrachte Anrufer:innen.
- Vorausplanen: Sollte dieser Jahreswechsel für Hund oder Katze schlimm gewesen sein, machen sich Tierhalter:innen am besten direkt im Januar Gedanken über das nächste Silvester. Besteht die Möglichkeit, dem Lärm zu entgehen? Kann der Einsatz von Hilfsmitteln wie Gehörschutz, sogenannten Thundershirts oder entspannenden Massagen mit dem Tier trainiert werden oder braucht es sogar medizinische oder verhaltenstherapeutische Unterstützung? Über all das sollte nicht erst im Dezember 2024 nachgedacht werden.
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