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Plattenosteosynthese Re-Operation

von Jennifer B.

Hallo liebe Tasso-Mitarbeiter, sehr geehrte Frau Fries, ich habe das Internet schon ausgiebig zu ähnlichen Fällen durchforstet aber leider nichts Passendes gefunden und wäre Ihnen sehr dankbar für eine Einschätzung der Sachlage. Mein 4jähriger Kater Bluna hat sich Ende April bei einem Sprung aus ca 1m Höhe unerklärlicherweise beidseits Calcaneusfrakturen zugezogen, diese wurden am Folgetag in einer Kleintierspezialistenklinik mittels Plattenosteosynthesen operativ versorgt. Anschließend sollte er für 6 Wochen stabilisierende Verbände mit Schienen tragen, die regelmäßig gewechselt werden sollten und möglichst wenig laufen, beides wurde strikt eingehalten. Beim Abschlussröntgen wurde festgestellt, dass sich beidseits Schrauben gelockert haben was dazu führte, dass Bluna nicht wie erwartet wieder normal (quasi auf Zehenspitzen) laufen konnte sondern dabei den ganzen Fuß absetzte (plantigrade Fußung) und sich nach nur wenigen Schritten fallen ließ weil er wohl Schmerzen hatte. Nach 2 Wochen Beobachtungszeit habe ich um eine Wiedervorstellung gebeten in welcher der Chefarzt äußerte, dass man das so nicht lassen könne und die Implantate anders hätte setzen müssen (längere Platte, mehr Schrauben), er würde Bluna deshalb nochmal operieren und mir finanziell "sehr entgegenkommen". Bei diesem Gespräch wurde mir auch gesagt, dass Bluna mit seinen 5,3kg relativ schwer sei und abnehmen sollte, weil sich das Gewicht natürlich auch auf die Stabilität des Implantats auswirkt. Darüber wurde bei der ersten OP aber überhaupt nicht gesprochen und ich empfinde meinen Kater ehrlich gesagt auch nicht als dick. Meine Frage wäre nun, ob ich die Kosten der Re-Operation bezahlen muss, wenn laut Arztbericht ein beidseitiges Implantatversagen vorliegt? Ich habe wie erwähnt alle "Auflagen" wie Verbandswechsel, Schonung,... strikt eingehalten und mir wurde nicht gesagt, dass Bluna evtl zu schwer sein könnte. Alle Ärzte haben mir zugesichert, ich hätte am Ende wieder eine gesunde Katze, die Möglichkeit, dass (außer bei der Narkose) etwas schief gehen könnte stand nie im Raum. Ich musste für die erste OP plus Vor-/Nachbehandlung (ca 2700+800€) bereits einen Kredit aufnehmen, die Kosten der zweiten OP belaufen sich nun (trotz "Versprechen" des Chefarztes) auf 1700€ , Nachbehandlungskosten folgen. Bin ich wirklich dazu verpflichtet, diese zu tragen wenn der Arzt seine Leistung selbst als "ungenügend" einstuft? Ich danke Ihnen schon im Voraus herzlich für Ihre Antwort! Mit freundlichen Grüßen. 

Rechtsanwältin Ann-Kathrin Fries
Foto: © Ann-Kathrin Fries

Antwort von Rechtsanwältin Ann-Kathrin Fries

Bei der Frage nach der Tierarzthaftung handelt es sich um ein sehr kompliziertes Gebiet.
Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Tierarzt nicht die tiermedizinischen Kenntnisse und Erfahrungen eingesetzt hat, die von einem gewissenhaften Tierarzt erwartet werden können. Ein Behandlungsfehler liegt daher bei einer Pflichtverletzung des Tierarztes vor. Haftbar macht sich der Tierarzt aber erst dann, wenn ihm auch ein Verschulden an dieser Pflichtverletzung zur Last gelegt werden kann. Hier zeigt sich warum dieses Rechtsgebiet für Tierhalter so schwierig ist, da der Tierhalter die Pflichtverletzung beweisen können muss. Ohne einen Sachverständigen sind diese Fragen in der Regel nicht zu beantworten. Im Der Tierarzt wiederum muss beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft.
Anders ist es allerdings, wenn der Tierarzt seiner Dokumentationspflicht nicht nachgekommen ist. Die fehlende Dokumentation spricht dann gegen den Tierarzt und kehrt die Beweislast um. Der Tierarzt muss nun seinerseits beweisen, dass der Schaden auch bei einer fehlerfreien Behandlung eingetreten wäre. Die Höhe des jeweiligen Schadensersatzes richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Ebenfalls zu einer Beweislastumkehr kommt es bei einem groben Behandlungsfehler des Tierarztes, z.B. bei einem Befunderhebungsfehler, so der BGH in seinem aktuellen Urteil vom 10.05.2016 – Az. VI ZR 247/15. Allerdings muss zunächst der „grobe Behandlungsfehler“ mittels eines Sachverständigen bestätigt werden. In Ihrem Falle müsste durch eine Sachverständigen geklärt werden, ob die gewählte Behandlungsart der Plattenosteosynthesen bei Ihrem Kater sinnvoll war, wenn ja ob sie fachgerecht durchgeführt wurde bzw. ein Fehler des Operateurs vorliegt oder ob es im Gegenteil eine mögliche Folge dieser Operation ist.
Um zu prüfen ob und gegebenenfalls in welcher Höhe (Tierarzthonorar, Medikamente, Fahrtkosten, etc.) Sie einen Schadensersatzanspruch gegen die Tierklinik haben könnten bzw. ob Sie die zweite Rechnung überhaupt bzw. in welcher Höhe zu bezahlen haben, könnten Sie zunächst Einsicht in die dortigen Unterlagen fordern, sofern Ihnen nicht bereits alles vorliegen. Zwar muss die Klinik Ihnen nicht die Originale aushändigen, muss Ihnen aber gegen Erstattung der Kosten Kopien zuschicken. Fordern Sie die Unterlagen schriftlich an und setzten Sie eine konkrete Frist. Zudem müsste auch geprüft werden, ob Sie einen schriftlichen Behandlungsvertrag abgeschlossen haben und was dort genau geregelt ist. Wenden Sie sich dann bei weiterem Bedarf an einen Anwalt oder eine Anwältin für Tierrecht um die Erfolgsaussichten aber auch das Kostenrisiko realistisch bewerten zu lassen.
 

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