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Unterlassene Hilfe

von Constanze Z.

Am Freitag 16.10. Anruf in der Tierklinik um 07:45 Uhr. Bereits in einem langen Telefongespräch teilte ich den Zustand meines Hundes mit und wurde unter anderem nach der Farbe des Zahlfleischs befragt und ob ich Bobby noch aufstellen könnte, was verneint wurde. Damit war klar, dass der Kreislauf bereits sehr instabil war. 8:32 Uhr Eintreffen in der Klinik, Aufnahmegespräch, viele Fragen, teilweise die gleichen wie am Telefon; Wartezeit, nach 20 min die mein Notfallhund auf dem Parkplatz warten musste, bin ich erneut an den Empfang und teilte mit, dass mein Hund zwischenzeitlich stark aus dem After blute. Man teilte mir mit, es käme jemand nach draußen. Zwei Damen, im Schneckentempo, mit einer Rollliege kamen auf den Parkplatz und holten Bobby ab. Ich hatte bereits bei der Aufnahme das Gewicht meines Hundes mitgeteilt, aber man musste ihn dann erst noch wiegen. Es wurden ein paar Vorbereitungen getätigt. Aber nicht mit irgendwelchen Behandlungen begonnen, nein, erst mussten die Formalitäten geklärt werden. Bis die Ärztin die erste Hand an meinem Hund anlegte war es bereits 09.16 Uhr. Sage und schreibe 10 min wurde dann versucht meinem Hund Blut abzunehmen. Ich konnte den Anblick kaum ertragen und fragte nach ob der Versuch Blut abzunehmen denn nicht greifen würde. Daraufhin wurde dies abgebrochen und sich dazu entschieden, Bobby an einen Tropf zu hängen. Aber auch da hatten Ultraschall- und Röntgenaufnahmen Vorrang. Während der ganzen Zeit durfte ich nicht zu meinem Hund und als er aus dem Zimmer geschoben wurde, durfte ich mich nicht einmal von ihm verabschieden und wurde nach Hause geschickt. Um 09:58 Uhr habe ich eine Anzahlung von 500 € geleistet. Bis zu diesem Zeitpunkt hing mein Hund an keiner Infusion. Wie kann man so zeitverzögert erste Hilfemaßnahmen einleiten . Am Abend dann ein Anruf, kurzes Fachchinesisch und die Mitteilung, Bobby habe es nicht geschafft, aber man habe sogar noch versucht zu reanimieren. Was für mich eine bodenlose Frechheit darstellt, in der Rücküberweisung an meine Tierärztin steht: ...Er erhielt SOFORT einen Venenkatheter und eine Schockinfusionstherapie mit.... Definition von sofort ist laut Duden: ohne zeitliche Verzögerung, unverzüglich und nicht 1,5 Stunden später. Vielleicht würde mein Hund heute noch leben, wenn man ihm wirklich sofort eine Infusion gelegt hätte. Die Zeitangaben stammen von gemachten Fotos, sowie Telefondaten. Dieser Text ist ein Auszug eines Briefes an die Tierklinik vom 07.12.2020 in dem ich um Stellungnahme gebeten habe. Bis heute keine Reaktion. Ich bitte um Einschätzung, ob ich eine Chance habe, gegen die Tierklinik vorzugehen. Vielen herzlichen Dank 
 

Rechtsanwältin Ann-Kathrin Fries
Foto: © Ann-Kathrin Fries

Antwort von Rechtsanwältin Ann-Kathrin Fries

Es tut mir leid, zu lesen, dass Sie Ihren geliebten Hund auf so dramatische Weise verloren haben und sich aufgrund dessen an mich wenden müssen.
Da im Recht Emotionen jedoch keine Rolle spielen, bitte ich um Verständnis für die sachliche Antwort.
Bei der Frage nach der Tierarzthaftung handelt es sich um ein sehr kompliziertes Gebiet.
Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Tierarzt nicht die tiermedizinischen Kenntnisse und Erfahrungen eingesetzt hat, die von einem gewissenhaften Tierarzt erwartet werden können. Ein Behandlungsfehler liegt daher bei einer Pflichtverletzung des Tierarztes vor. Haftbar macht sich der Tierarzt aber erst dann, wenn ihm auch ein Verschulden an dieser Pflichtverletzung zur Last gelegt werden kann. Hier zeigt sich warum dieses Rechtsgebiet für Tierhalter so schwierig ist, da der Tierhalter die Pflichtverletzung beweisen können muss. Ohne einen Sachverständigen und im Zweifel einen Obduktionsbericht sind diese Fragen in der Regel nicht zu beantworten. Der Tierarzt wiederum muss beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft.
Zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des Tierarztes kommt es bei einem groben Behandlungsfehler des Tierarztes, z.B. bei einem Befunderhebungsfehler, der in Ihrem Fall vorliegen könnte, so der BGH in seinem aktuellen Urteil vom 10.05.2016 – Az. VI ZR 247/15. Allerdings muss zunächst der „grobe Behandlungsfehler“ wiederrum mittels eines Sachverständigen bewiesen werden.
In Ihrem konkreten Fall ist es gut, dass Sie nachweisen können, dass die Behauptung, es sei sofort ein Venenkatheter und eine Schockinfusionstherapie eingeleitet worden, falsch ist. Wie sich dies auf eine mögliche Haftung auswirkt, muss auch durch den Sachverständigen geklärt werden, da entscheidend ist, ob Ihr Hund hätte gerettet werden können, wenn tatsächlich die beiden Maßnahmen sofort eingeleitet worden wären.
Fordern Sie die Klinik nochmals zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb von einer Woche auf und kündigen rechtliche Schritte an, wenn die Klinik dies weiterhin ignoriert.
Wenden Sie sich dann entweder an die zuständige Landestierärztekammer, die zwar keine Entscheidungen treffen aber zwischen den Beteiligten vermitteln kann oder an einen auf Tierrecht spezialisierten Anwalt oder Anwältin um Ihre Ansprüche und die Erfolgsaussichten rechtlicher Schritte konkret beurteilen zu lassen.
 
 

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