zurück zur Übersicht

Katze tot nach Fehldiagnose vom Tierarzt

von Annabeth K.

Unsere Katze kam abends völlig verstört und sehr wackelig auf den Beinen durch die Katzenklappe nach Hause und hat sich sofort verkrochen. Wir hatten beschlossen, sie erstmal zur Ruhe kommen zu lassen, sind am nächsten Morgen gleich mit ihr zum Tierarzt gefahren, weil sie in sehr schlechtem Zustand war und wir nun auch eine Wunde am Hinterbein gefunden haben. In der Tierarztpraxis war den Tag sehr viel los, so dass wir unsere Katze dort gelassen und erst abends wieder abgeholt haben. Die Tierärztin sagte dabei zu uns, dass sie die Wundränder begradigt und genäht hätte, es gab ein Schmerzmittel und Breitbandantibiotikum. Innere Verletzungen würde sie zu 99 % ausschließen, daher hätte sie auf Röntgenbilder verzichtet. Die Katze wäre vermutlich jetzt nach der OP (zum Nähen) noch etwas schwach auf den Beinen, es sollte aber von Tag zu Tag besser werden. Nach 4 Tagen sollten wir zur Wundkontrolle wieder kommen. Leider war die Tierärztin in der folgenden Woche selber krank, so dass dann ein anderer Tierarzt die weitere Versorgung und Kontrolle übernommen hat. In der folgenden Woche waren wir 3x wieder in der Praxis, weil die Katze das Fressen eingestellt und sich nicht mehr geputzt hat und insgesamt auch immer schwächer wurde. Beim dritten Besuch (auf einem Freitag) wurde aus diesem Grund auch eine Infusion verabreicht und gesagt, wenn sie nicht bis Samstag wieder anfangen würde zu fressen, sollten wir Sonntag zum Notdienst, damit sie eine weitere Infusion bekommen könnte. Der Zustand verschlechterte sich weiterhin, so dass wir am Sonntag statt zum tierärztlichen Notdienst dann mit ihr in die Klinik gefahren sind. Die Tierärztin dort war entsetzt über den Zustand, hat sie direkt stationär aufgenommen, an nen Tropf gehängt und geröntgt. Das Ergebnis war völlig niederschmetternd: Ein mehrfach gebrochenes Becken! In Absprache mit der Klinik-Ärztin haben wir uns für eine Operation am folgenden Tag entschieden. Dazu kam es allerdings nicht mehr, weil (vermutlich) durch das lange Fasten die Nieren abends versagt haben, so dass wir unsere Katze einschläfern lassen mussten. Allein die Rechnung der Klinik belief sich auf über 1000€, ganz zu schweigen von den Schmerzen, die unsere arme Katze aufgrund der krassen Fehleinschätzung der anderen Tierärztin erleiden musste. Kann man hier irgendwie gegen die Tierarztpraxis vorgehen? Es bringt uns unsere Katze zwar nicht mehr zurück, aber es scheint eine solche Ungerechtigkeit, dass unsere Katze den Fehler/die Unterlassung der Tierärztin kein Röntgenbild zu machen, mit dem Leben bezahlen musste.

Rechtsanwältin Ann-Kathrin Fries
Foto: © Ann-Kathrin Fries

Antwort von Rechtsanwältin Ann-Kathrin Fries

Ich bedauere, dass Sie Ihre Katze auf so tragische Weise verloren haben. Ich verstehe Ihre Wut und Verärgerung, da jedoch im Recht Emotionen keine Rolle spielen, bitte ich um Verständnis für die sachliche Antwort.
 
Bei der Frage nach der Tierarzthaftung handelt es sich um ein sehr kompliziertes Gebiet. Zunächst allgemeinen Information hierzu vorweg.
 
Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Tierarzt nicht die tiermedizinischen Kenntnisse und Erfahrungen eingesetzt hat, die von einem gewissenhaften Tierarzt erwartet werden können. Ein Behandlungsfehler liegt daher bei einer Pflichtverletzung des Tierarztes vor. Haftbar macht sich der Tierarzt aber erst dann, wenn ihm auch ein Verschulden an dieser Pflichtverletzung zur Last gelegt werden kann. Hier zeigt sich, warum dieses Rechtsgebiet für Tierhalter so schwierig ist, da der Tierhalter die Pflichtverletzung beweisen können muss. Ohne einen Sachverständigen sind diese Fragen in der Regel nicht zu beantworten. Der Tierarzt wiederum muss beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft.
Anders ist es allerdings, wenn der Tierarzt seiner Dokumentationspflicht nicht nachgekommen ist. Die fehlende Dokumentation spricht dann gegen den Tierarzt und kehrt die Beweislast um. Der Tierarzt muss nun seinerseits beweisen, dass der Schaden auch bei einer fehlerfreien Behandlung eingetreten wäre. Die Höhe des jeweiligen Schadensersatzes richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Ebenfalls zu einer Beweislastumkehr kommt es bei einem groben Behandlungsfehler des Tierarztes, z.B. bei einem Befunderhebungsfehler, so der BGH in seinem Urteil vom 10.05.2016 – Az. VI ZR 247/15. Allerdings muss zunächst der „grobe Behandlungsfehler“ mittels eines Sachverständigen bestätigt werden.
 
Ob in Ihrem konkreten Fall der Tierärztin eine Sorgfaltspflichtverletzung und ein sogenanntes „Übernahmeverschulden“ zur Last gelegt werden kann bzw. ob ein grober Behandlungsfehler nachgewiesen werden kann, läßt sich an dieser Stelle nicht bewerten. Dies setzt nicht nur die umfangreiche Prüfung aller vorhandenen medizinischen Unterlagen etc. voraus, sondern wird wahrscheinlich auch eine Bewertung durch einen Gutachter oder Sachverständigen nötig machen.
 
Wichtig wird in diesem Zusammenhang u.a. die Frage an den Sachverständigen sein, ob es tiermedizinisch (noch) vertretbar war, dass die Tierärztin auf das Röntgen verzichtet hat oder ob dies bereits einen groben Fehler darstellt. Da Sie schreiben, dass ein anderer Tierarzt während der Krankheit die Nachsorge übernommen hat, wäre interessant zu wissen, ob auch er keine Anzeichen für den mehrfachen Beckenbruch bemerkt hat.
 
Lassen Sie sich von der Tierärztin die gesamten Kartei ausdrucken und übersenden, zudem sollten Sie sich von der Tierklinik ebenfalls die Behandlungsunterlagen, insbesondere die Röntgenbilder geben lassen.
 
Wenden Sie sich bei weiterem Beratungsbedarf dann mit diesen Unterlagen an einen Anwalt oder eine Anwältin für Tierrecht oder alternativ/zusätzlich können Sie sich auch an die zuständige Tierärztekammer wenden. Diese kann zwar keine Streitigkeiten verbindlich entscheiden, sie kann aber versuchen zwischen Tierhalter und Tierarzt zu vermitteln.
 
 

758.548 „Gefällt mir“-Angaben

Danke für die vielen Likes!

TASSO-Videos

Alles zu den Aufgaben von TASSO in Bildern

Newsletter

Bleiben Sie immer auf dem Laufenden!

Cookies

Liebe Tierfreunde,
um unsere Webseite optimal auf Ihre Bedürfnisse abzustimmen, verwenden wir Cookies. Einige Cookies sind technisch notwendig (essentiell), damit unsere Webseite funktioniert. Zudem verwenden wir Cookies zu Marketing- und Statistik-Zwecken, um Ihnen ein noch besseres Webseiten-Erlebnis zu bieten. Sie können selbst entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten und diese jederzeit unter „Cookie-Einstellungen“ einsehen und ändern. Erklärung zur Nutzung von Cookies auf unserer Webseite Datenschutzerklärung