1. Fallbeispiel: Eine Tierhalterin hatte ihre Katze zwar von einer Tierärztin kastrieren lassen, dennoch wurde die Katze immer wieder rollig. Da die Tierärztin die Katze mit Spritzen und diversen Ergänzungsfuttermitteln erfolglos versuchte zu behandeln, suchte die Katzenhalterin eine zweite Tierärztin auf, die in einer Operation versprengtes Eierstockgewebe fand und entfernte.
Der Großteil der Rechtsfragen in der Praxis beschäftigt sich mit möglichen Diagnose- und/oder Behandlungsfehlern eines Tierarztes. Aber wann liegt ein Behandlungsfehler überhaupt vor? Nach der Rechtsprechung dann, wenn der Tierarzt nicht die tiermedizinischen Kenntnisse und Erfahrungen eingesetzt hat, die von einem gewissenhaften Tierarzt erwartet werden können (er also nicht „lege artis“ gehandelt hat). Ein Behandlungsfehler liegt daher bei einer Pflichtverletzung des Tierarztes vor. Haftbar macht sich der Tierarzt aber erst dann, wenn ihm auch ein Verschulden an dieser Pflichtverletzung zur Last gelegt werden kann.
Hier zeigt sich, warum dieses Rechtsgebiet für Tierhalter so schwierig ist, da der Tierhalter im Streitfall die Pflichtverletzung beweisen können muss. Ohne die Einschaltung eines Sachverständigen ist dies in der Regel unmöglich, da hierzu Spezialkenntnisse nötig sind, die weder der Tierhalter, noch die (unter Umständen) beteiligten Rechtsanwälte und Gerichte haben. In einem Rechtsstreit muss der Tierhalter als Kläger also einen entsprechenden Kostenvorschuss leisten.
Der Tierarzt wiederum muss beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft. Anders ist es allerdings, wenn der Tierarzt seiner Dokumentationspflicht nicht nachgekommen ist. Die fehlende Dokumentation spricht dann gegen den Tierarzt und kehrt die Beweislast um. Der Tierarzt muss nun seinerseits beweisen, dass der Schaden auch bei einer fehlerfreien Behandlung eingetreten wäre.
2. Fallbeispiel: In einem traurigen Fall brachten zwei Katzenhalter ihr Tier in einem sehr schlechten Zustand zum Tierarzt. Dieser nahm der regungslosen und fast komatösen Katze Blut ab, gab ihr Aufbauspritzen und fertigte Röntgenbilder an. Die Halter sollten am nächsten Tag erneut zur Auswertung der Blutergebnisse und weiteren Behandlung in die Praxis kommen. Die Katze verstarb jedoch noch in der Nacht unter schlimmen Schmerzen. Die Halter teilten dem Tierarzt dies am Telefon mit und erhielten die Auskunft, dass die Katze ohnehin schon die gesamte Zeit aufgrund einer Vergiftung im Koma gelegen habe und damit keine Schmerzen gehabt haben könne. Die Halter hatten den Eindruck, dass der Tierarzt die Vergiftung der Katze erkannt hatte und dennoch die – letztlich – unnötigen und teuren Behandlungen vorgenommen hat, statt die Katze von ihren Leiden zu erlösen und einzuschläfern. Sie wollten die noch offene Rechnung nicht bezahlen.
Es ist ein nachvollziehbarer und verbreiteter Irrtum, dass der Tierhalter beispielsweise nach einer erfolglosen OP die Rechnung des Tierarztes nicht zahlen muss. Wie oben gezeigt, schuldet der Tierarzt allein sein Tätigwerden, und solange er mit der nötigen tierärztlichen Sorgfalt und nach den anerkannten Regeln der tierärztlichen Wissenschaft arbeitet, muss er dafür bezahlt werden. Die Behandlungskosten richten sich nach der Gebührenverordnung für Tierärzte (GOT), die etwa 800 Einzelleistungen und Behandlungsschritte sowie den jeweiligen Gebührensatz aufzählt. Da dort keine konkreten Endbeträge vorgegeben werden, muss der Tierarzt nach dem „Baukastenprinzip“ die einzelnen Teile zusammenrechnen. So besteht eine Kastration beispielsweise aus einer Voruntersuchung, der Injektion des Narkosemittels, der eigentlichen OP und der Injektion des Antibiotikums. Je nach Schwierigkeit des Einzelfalls, kann er seine Leistung mit dem Ein- bis Dreifachen des jeweiligen Gebührensatzes abrechnen. Die Zusatzkosten für Material, Laborbefunde, Medikamente, Fahrtkosten für Hausbesuche und die gesetzliche Mehrwertsteuer sind darin nicht enthalten und werden zusätzlich abgerechnet.
Ob im geschilderten Fall die gewählte Behandlung, die Aufbauspritzen und das Röntgen tatsächlich notwendig oder stattdessen aufgrund des schlechten Gesundheitszustands sinnlos waren, müsste im Streitfall durch ein Sachverständigengutachten geklärt werden.