Viele Tierhalter:innen wünschen sich, dass ihr Vierbeiner sie auch auf die Arbeit begleiten kann. Doch wie passt ein Hund überhaupt in den Arbeitsalltag? Diese und noch andere Fragen haben wir Kerstin Quast von Vollzeit4Beiner gestellt – sie hilft berufstätigen Hundeeltern dabei Beruf und Hund entspannt zu kombinieren.
Wie passt mein Hund ins Büro und woher weiß ich, ob mein Hund „bürotauglich“ ist?
Ob ein Hund gut ins Büro passt ist meistens abhängig vom Charakter des Hundes und natürlich auch von der Ausbildung, die der Hund erfahren hat. Ein weiterer wichtiger Faktor sind die Büroräumlichkeiten und natürlich die Akzeptanz der Kolleg:innen. Wenn sie z. B. eine Tierhaarallergie haben, wird es schwierig den Hund mitzunehmen. Zudem sollte immer darauf geachtet werden, dass der Hund gelernt hat (schon bevor er ins Büro mitgenommen wird) sich auch unter vielen Menschen zu entspannen und sich selbst sinnvoll zu beschäftigen. Anderenfalls können typische Probleme auftreten, wie das Anknabbern von Bürogegenständen, Frustration beim Hund, aufmerksamkeitssuchendes Verhalten und vieles mehr. Das stört natürlich den Büroalltag und kann zur Belastung für Hund und Mensch werden.
Geht das mit jedem Hund und wie geht man da vor, wenn man beispielweise einen unruhigen oder einen territorialen Vierbeiner hat?
Bei territorialen Hunden sehe ich oft Schwierigkeiten. Ein Hund der rassebedingt viel und gerne bellt, wird auch mit viel Ausbildung nicht komplett auf das Bellen und Anzeigen von Personen verzichten. Da stellt sich die Frage, ob das Bellen im Team toleriert wird. Zudem wäre es besonders für territoriale Hunde sehr wichtig, nicht im Mittelpunkt des Geschehens zu sein. Da kann z. B. ein eigenes Büro oder ein Sichtschutz helfen. Keine Lösung ist es den Hund während des Arbeitstages in eine Box zu sperren. Das kann nicht nur Verhaltensstörungen auslösen, sondern ist auch tierschutzrelevant. Bei unruhigen oder reaktiven Hunden gestaltet sich das Training wesentlich einfacher. Mein Ansatz ist hier, zuerst die Ursache für die Unruhe zu suchen und schon Zuhause das Training langsam und Schritt für Schritt aufzubauen. Entspannungssignale und Deckentraining können hier sehr hilfreich sein.
Der Hund ist mit im Büro, will aber ständig die Aufmerksamkeit seines Menschen oder kann nicht entspannen. Was tun?
Mit dieser Herausforderung kommen 90% meiner Kund:innen zu mir. Hier ist es wichtig, dass der Hund freundlich und am besten schon Zuhause, in entspannter Atmosphäre, lernt, sich sinnvoll selbst zu beschäftigen. Damit lernen Hunde, dass sie nicht auf die permanente Aufmerksamkeit ihrer Menschen angewiesen sind. Natürlich ist es auch hier wichtig, zu hinterfragen, ob der Hund generell ein Problem mit Trennung hat. Klebt er z. B. den ganzen Tag an den Fersen? Ist es schon schwierig, wenn Frauchen den Müll runter bringt? Dann liegt das Problem wahrscheinlich eher daran, dass der Hund sich nicht von der Bezugspersonen trennen kann. Daran sollte mit Entspannungsübungen Schritt für Schritt gearbeitet werden, um dem Hund langfristig und vor allem im Büro zur Ruhe zu helfen.
Wie kann ich meinen Hund auf den Büroalltag vorbereiten?
Am besten mit Deckentraining bzw. einer Ruhezone. Der Hund soll mit diesen Übungen lernen, dass er auch mal auf einem Platz bleiben kann. Eine Anleitung für das Deckentraining findet ihr übrigens in meinem Podcast. Wenn ihr einen Welpen mit ins Büro nehmen wollt, sollte dieser vor seinem ersten Tag natürlich stubenrein sein. Zudem empfehle ich immer eine Schrittweise Gewöhnung an das Büro. Das funktioniert so, dass man den Hund am 1. Tag nur eine halbe Stunde mit ins Büro nimmt und genau auf die Bedürfnisse und die Körpersprache des Hundes achtet. Wenn der Hund keine Anzeichen von Stress oder Unwohlsein zeigt, kann man die Dauer langsam steigern. Ein gut ausgebildeter und souveräner Hund wird mit dem Gewöhnungsplan innerhalb von 5 Tagen ein guter Begleiter im Büro sein können.
Was muss der Hund können, damit er ein „passender“ Bürohund für alle wird?
Die Ausbildung des Hundes spielt für den Job als Bürohund eine enorme Rolle. Manche Kolleg:innen finden es zwar super, dass der Hund ständig um Streicheleinheiten oder Futter bettelt, das kann sich aber 1) negativ auf den Hund auswirken (ständige Aufmerksamkeit & keine Ruhepausen) und 2) auf Dauer auch für das Team lästig werden. Ein Signal, indem der Hund auf seinen Platz/Decke geschickt wird, ist sehr wichtig, aber auch dass der Hund versteht, dass wenn die Halter:innen vor dem Laptop sitzen, Ruhe angesagt ist. Dabei können Hilfsmittel wie ein Kong, Schleckmatten und Kauhölzer sehr helfen. Wichtig ist es auch, dass man stets die Bedürfnisse des Hundes im Blick hat. Das kann je nach Alter stark variieren. Junghunde und Welpen können meistens eher schwer still sitzen. Viele Pausen und kurze Einheiten mit geistiger Auslastung (z. B. Tricks) können hier viel bewirken. Zusammenfassend sind meine zwei wichtigsten Tipps: Ruhepausen einhalten & eigenständige Beschäftigung mit Spielzeug oder z. B. einem Kong oder Schleckmatte fördern.
Welche Fehler sollte man mit Bürohund vermeiden?
Einer der größten Fehler und auch einer der Häufigsten ist es meiner Meinung nach, dass mehrere Bürohunde den ganzen Tag miteinander spielen und keine Pausen eingefordert werden. Besonders junge Hunde neigen dazu, von selbst keine Ruhezeiten einzuhalten, daher liegt es auch hier an uns Halter:innen, die Hunde „ins Bett zu schicken“. Wenn der Hund keine Führung durch seinen Menschen hat, wird er bald lernen, dass es im Büro nur ums Spielen geht und das kann auf Dauer anstrengend für alle Beteiligten werden und auch gesundheitliche Folgen für den Hund haben. Denn zu wenig Ruhe und zu viel (positiver) Stress kann die Gesundheit des Hundes beeinträchtigen.
Ein zweiter Fehler den ich häufig beobachte ist es, dass es keine Regeln für die Menschen im Büro bzw. auf der Arbeit gibt. Das ist wichtig, damit es langfristig zu keinen Beschwerden kommt. Meine fünf wichtigsten Regeln sind:
- Wenn der Bürohund in seiner Ruhezone ist, wird er nicht angesprochen oder gestört
- Der Bürohund bewegt sich nicht frei in anderen Räumen
- Der Bürohund wird außerhalb des Hundeeltern-Büros an der Leine geführt
- Der Umgang mit dem Bürohund ist nur in Absprache mit den Hundeeltern gestattet
- Die Hundeeltern sind bemüht, einen entspannten Bürohund zu erziehen und üben fleißig mit ihm
Diese Regeln kann man auch gerne ausdrucken und sichtbar im Büro aufhängen oder austeilen!
Das Geheimnis zum entspannten Bürohund?
Das Geheimnis ist einfach: Ein Gleichgewicht zwischen Entspannung und Beschäftigung für den Bürohund. Es spielen so viele äußere Faktoren eine wichtige Rolle, dass es schwer zu sagen ist, ob jeder Hund ein Bürohund werden kann. Wie kulant sind die Kolleg:innen und die Vorgesetzten? Wie gut ist der Hund bereits ausgebildet? Bellt der Hund gerne? Grundsätzlich ist zu sagen, dass es mit gewissen Hunderassen im Büro eher schwierig ist. Herdenschutzhunde, menschenscheue Hunde, reaktive Hunde, sehr bellfreudige Hunderassen oder Hunde mit einer Verhaltenssstörung sind im Büro eher fehl am Platz. Da würde ich im Gegenzug am entspannten Alleine-Bleiben arbeiten.
Hast du zwei Beschäftigungsideen für Büroschnauzen?
Da gibt es unbegrenzt viele Möglichkeiten! Meine Favoriten teilen sich in zwei Kategorien: Beschäftigung ohne Mensch und Beschäftigung mit dem Menschen.
Beschäftigung ohne den Menschen kann ein gefüllter Kong, eine Schleckmatte, ein Kauholz oder ein Kauartikel sein. Es bieten sich auch Karton-Schnüffelspiele, ein Schnüffelteppich oder Intelligenzspielzeuge an. Hier ist es jedoch wichtig, dass die Menschen den Hund natürlich nicht zur Gänze aus den Augen lassen sollten. Wenn der Hund dazu neigt, Zeitungspapier zu fressen oder Kleinteile zu verschlucken, würde ich das ebenfalls nicht ohne Aufsicht machen. Viele Ideen findet man übrigens auf meinem Instagram Account mit detaillierter Anleitung.
Beschäftigung mit dem Menschen sollte immer etwas sein, was den Hund nicht in einen enorm hohen Erregungslevel katapultiert, da danach wahrscheinlich wieder Ruhe angesagt ist. Zudem sollte es natürlich Hund und Halter:in Spaß machen. Mein Favorit ist hier das Tricksen. Man kann dem Hund unendlich viele Kunststücke beibringen. Am besten eignet sich hierfür ein Markerwort oder ein Clicker, das einmal aufgebaut im gesamten Hundealltag und -training Gold wert ist. Meine liebsten Tricks mit meiner Hündin Flummi sind: „Männchen", "Dreh Dich“ & „Tot stellen“.
Über Vollzeit4beiner:
Das Thema Berufstätigkeit mit Hund liegt mir aufgrund meiner persönlichen Erfahrung sehr am Herzen. Bevor ich meine Hündin Flummi adoptiert habe, war ich mit viel Gegenwind konfrontiert, nicht nur im Familien- und Bekanntenkreis, sondern auch im Internet. Darum ist es meine absolute Herzensmission den Alltag von berufstätigen Hundeeltern zu erleichtern und zu zeigen, wie ein entspannter Alltag mit Freude und Leichtigkeit machbar ist, trotz (Vollzeit-)Job.
Ich glaube, jeder Mensch der einen Hund besitzt, weiß wie viel Freude Hunde bringen. Das dies auch das Arbeitsumfeld positiv beeinflusst ist nun sogar wissenschaftlich erwiesen. Bürohunde steigern die Zufriedenheit von Mitarbeitern, die körperliche Gesundheit der Mitarbeiter mit Bürohunden wird erhöht, Stress der Mitarbeiter wird gesenkt und mehr Empathie zwischen den Kolleg:innen wird durch Bürohunde ebenso erhöht. Außerdem ist es natürlich für Arbeitnehmer:innnen sehr attraktiv, wenn Unternehmen Hunde am Arbeitsplatz erlauben. Damit fällt der Aufwand Betreuungsmöglichkeiten zu suchen oftmals weg. Hunde sind sehr soziale Lebewesen und würden am liebsten den ganzen Tag mit ihren Menschen verbringen, das ist durch ein Bürohunde-Leben möglich. Dadurch kann auch das Wohlbefinden des Vierbeiners gesteigert werden. Wichtig ist mir hier nur zur Erwähnen, dass es absolut notwendig ist, Bürohunde entsprechend auszubilden. Denn nur so kann ein harmonisches Miteinander zwischen Hund, Kollegen, Haltern und Vorgesetzen entstehen.
Kerstin Quast ist Hundetrainerin und zertifizierter Pawsitive Life ® Coach. In ihrer online Hundeschule Vollzeit4Beiner hilft sie berufstätigen Hundeeltern dabei Berufsalltag und Hund entspannt zu kombinieren. Auf HundehalterInnen warten ausführliche Programme zum bewältigen von Trennungsstress beim Hund, eine Bürohundeausbildung aber auch ein Club für berufstätige Hundeeltern zum Austauschen und Weiterbilden.