Ursachen der Verhaltensprobleme
Hunde, die aus unseriösen Produktionsstätten stammen, wachsen oft unter katastrophalen Bedingungen auf. Sie werden in unhygienischen und stimulationsarmen Umgebungen gehalten, viel zu früh von der Mutter getrennt, und haben meist keinen Kontakt zu Menschen oder alltäglichen Sinneseindrücken, denn in den Zuchtstätten für den illegalen Welpenhandel stehen die wirtschaftlichen Interessen stets über dem Tierwohl. Die mangelhafte Sozialisierung in den ersten Lebenswochen führt dazu, dass den Welpen grundlegende Erfahrungen für ein stabiles Verhalten im späteren Leben fehlen. Hinzu kommt, dass viele dieser Tiere aufgrund von Krankheiten und/oder fehlender Impfung zunächst in Quarantäne müssen. Diese oft lange Quarantänezeit – abhängig vom Alter und Gesundheitszustand des Tieres – summiert sich zu den ohnehin schlechten Startbedingungen und begünstigt die Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten zusätzlich. Einiges können Welpen in einem liebevollen und verantwortungsbewussten Zuhause mit viel Einfühlungsvermögen und Geduld nachholen. Doch die verpasste Sozialisierung in den sensiblen ersten Lebenswochen der Welpen kann auch zu langfristigen Schäden führen, die manche Hunde und ihre Halter:innen ein Leben lang begleiten.
Das Deprivationssyndrom
Deprivation bezeichnet einen schweren Mangel an Umweltreizen während der Sozialisierungsphase. Normalerweise lernen Welpen in dieser Entwicklungsphase verschiedene Geräusche, Untergründe, Gerüche und vor allem die soziale Interaktion mit Artgenossen und Menschen kennen – idealerweise mit unterschiedlichen Personen wie Kindern und Erwachsenen. Fehlen diese Erfahrungen, entwickeln sie häufig tiefsitzende Ängste und Unsicherheiten gegenüber unbekannten Reizen und neuen Situationen. Diese Ängste können als Deprivationssyndrom zusammengefasst werden. Hunde mit Deprivationssyndrom zeigen oft folgende Auffälligkeiten:
- Starke Angstreaktionen:
Alltägliche Reize, wie fahrende Autos, sich annähernde Menschen, Geräusche aus der Küche oder von Haushaltsgeräten, lösen starke Angstreaktionen aus, die sich häufig in Fluchtverhalten oder Erstarren zeigen.
- Eingeschränkte Anpassungsfähigkeit:
Neue Umgebungen oder Veränderungen in den Alltagsroutinen führen schnell zu Stress und Überforderung. Auch nach einer kurzen Zeit der Gewöhnung wird in neuen Umgebungen kein oder nur eingeschränktes Erkundungsverhalten gezeigt. Wenn die geringe Stressresistenz dieser Hunde erschöpft ist, kann es zu Zwangsverhalten wie exzessivem Lecken des Körpers, Schwanzbeißen oder anderen Verhaltensstörungen kommen.
- Erhöhte Reizbarkeit und Aggressionsprobleme:
Als Folge der starken Ängste und der hohen Stressbelastung leiden viele Hunde mit Deprivationsschäden unter einer erhöhten Reizbarkeit, die sich in vermehrtem Aggressionsverhalten zeigen kann. Der Hund hat keine adäquate Lösung für diese überfordernden Situationen gelernt und weiß sich nicht anders zu helfen, als in einen aggressiven Abwehrmodus zu wechseln.
- Schwierigkeiten im Kontakt mit Artgenossen:
Schon von der Mutter lernen junge Welpen die ersten Regeln im Sozialkontakt mit Artgenossen. Diese werden im Spiel mit den Wurfgeschwistern erprobt und durch Kontakt zu anderen erwachsenen Hunden gefestigt. Durch eine frühe Trennung von der Mutterhündin und die Isolation von der Umwelt während der Aufzucht fehlen den Welpen aus tierschutzwidrigen Produktionsstätten diese wichtigen Lernerfahrungen für die Entwicklung eines angemessenen Sozialverhaltens im Umgang mit anderen Hunden. Sie sind in Hundebegegnungen oft schnell überfordert, übergehen feine Kommunikationssignale anderer Hunde und geraten so häufiger in Konflikte.
- Probleme bei der Stubenreinheit:
In den ersten Lebenswochen werden Welpen auf einen Untergrund geprägt, auf dem sie sich bevorzugt lösen. Wenn sie in dieser Zeit kein Gras unter den Pfoten kennenlernen, kann es zu Problemen beim Erlernen der Stubenreinheit kommen, da die Welpen je nach Prägung zum Beispiel Fliesen, Zeitung oder Textilien als Untergrund bevorzugen.
Erfahrungsberichte: Illegaler Welpenhandel
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Auswirkungen auf das Zusammenleben
Die Verhaltensprobleme deprivierter Hunde stellen ihre Halterinnen und Halter oft vor große Herausforderungen. Ein Spaziergang wird zur Stressprobe oder ist gar nicht erst möglich, da der Hund panisch auf jegliche Umweltreize reagiert, die meistens schon im Treppenhaus beginnen. Eigentlich sollte die Welpenzeit gefüllt sein mit vielen kleinen gemeinsamen Erkundungen, einem entspannten Kennenlernen und einem allmählichen Vertrauens- und Bindungsaufbau. Bei Welpen aus unseriösen Zuchten sind die ersten Wochen hingegen oft geprägt von vielen Tierarztbesuchen, Schmerzen und Sorgen. So ist das Aufholen der verpassten Sozialisierung auch in der Anfangszeit im neuen Zuhause oft nur sehr eingeschränkt möglich. Die lebensnotwendige tiermedizinische Versorgung ist in der Regel mit vielen Praxisbesuchen, Untersuchungen und Klinikaufenthalten verbunden und erschwert den Vertrauensaufbau in der Anfangszeit. Gleichzeitig ist die tiermedizinische Abklärung die wichtigste Voraussetzung für die weitere Entwicklung des Welpen. So beginnt nicht selten schon in den ersten Wochen und Monaten im neuen Zuhause für die neuen Hundefamilien ein Marathon zwischen verschiedenen tiermedizinischen Spezialist:innen und Hundetrainer:innen.
Hilfe und Therapie
Obwohl das Deprivationssyndrom nicht vollständig heilbar ist, können betroffene Hunde mit der richtigen Unterstützung ein lebenswertes Leben führen. Dabei sind sie jedoch auf die besondere Achtsamkeit und Fürsorge ihrer Bezugspersonen angewiesen. Wichtig sind:
- Gesundheit und Schmerzfreiheit als Grundlage für ein erfolgreiches Training. Bevor mit einem Hund an Verhaltensauffälligkeiten trainiert wird, sollte immer eine tiermedizinische Untersuchung und die Behandlung bestehender gesundheitlicher Beschwerden im Vordergrund stehen.
- Sanfte Gewöhnung an Umweltreize, ohne den Hund zu überfordern. Auch wenn das Bedürfnis groß ist, dem Hund die Welt zu zeigen, muss die Reizgewöhnung immer so langsam ablaufen, dass der Hund die Reize verarbeiten und einordnen kann. Eine Reizüberflutung kann die Stressantwort des Hundes überlasten und zu Verhaltensstörungen führen.
- Strukturierte und vorhersehbare Tagesabläufe vermitteln Sicherheit. Um in der neuen Lebensumgebung zurecht zu kommen, helfen dem Hund feste Strukturen und Routinen.
- Positive Verstärkung statt Druck oder Bestrafung. Auch wenn die eigenen Nerven blank liegen, ist Strafe keine Lösung. Mit positiver Verstärkung über Futterbelohnungen kann dem Hund kleinschrittig gezeigt werden, was von ihm erwartet wird. Fehler sind in Lernprozessen normal und sind lediglich Informationen darüber, was der Hund bereits kann und was nicht. Ein Hund zeigt nie eine störende Verhaltensweise, um den Menschen zu ärgern, sondern immer nur, weil das Verhalten für ihn in dem Moment adäquat und lohnenswert erscheint.
- Professionelle Unterstützung durch Tierärzt:innen mit Schwerpunkt Verhaltensmedizin oder qualifizierte Hundetrainer:innen. Bereits präventiv kann es sinnvoll sein, sich professionelle Unterstützung einzuholen, spätestens wenn erste Verhaltensauffälligkeiten auftreten, ist dies jedoch anzuraten. Oft hilft ein professioneller Blick, um die Ursachen von einem bestimmten Verhalten zu verstehen und Lösungsansätze zu finden. Je früher ein Hund mit einem problematischen Verhalten Hilfe bekommt, desto weniger kann sich dieses Verhalten festigen.
Verantwortungsvoll handeln: Bewusste Entscheidungen helfen im Kampf gegen den illegalen Handel
Hunde aus dem illegalen Welpenhandel leiden häufig an schwerwiegenden Verhaltensstörungen, die ihren Alltag und den ihrer Familien erheblich beeinträchtigen. Wer einen solchen Hund aufnimmt, braucht Geduld, Einfühlungsvermögen und oft auch professionelle Unterstützung. Der beste Schutz vor diesen Problemen ist es jedoch, den illegalen Welpenhandel nicht bewusst zu unterstützen, sondern sich bei der Suche nach einem Welpen im nächstgelegenen Tierheim oder bei einem seriösen Züchter zu erkundigen.