Die Verwendung von Hunden bei Tierversuchen
Toxikologische Prüfungen von Stoffen
Viele Gesetze und Verordnungen schreiben immer noch tierexperimentelle Prüfungen von Stoffen (Chemikalien, Pestizide, Arzneimittel etc.) auf ihre Giftigkeit vor.
Diese Prüfungen müssen an Nagetieren (Maus oder Ratte) und einem „Nicht‐Nager“ vorgenommen werden, welcher neben Affen oder Schweinen auch der Hund (in der Regel Beagle) ist.
Geprüft werden die Testsubstanzen auf orale oder inhalative Toxizität, wobei die Schädlichkeit bei einmaliger (akuter) und bei längerer (chronischer) Verabreichung getestet wird. Bei der chronischen oralen Gabe bekommt das Tier die Substanz entweder 90 Tage oder sogar 6 bis 12 Monate lang verabreicht.
Bei der 90-Tage-Studie auf orale Toxizität wird die Prüfsubstanz gesunden Hunden täglich entweder mit dem Futter oder mit einem Pillengeber bzw. über eine Magensonde verabreicht.
Dann werden die Tiere kontinuierlich auf Vergiftungssymptome untersucht, und es wird ihnen zu bestimmten Zeitpunkten Blut entnommen.
Nach den 90 Tagen werden alle überlebenden Tiere getötet und wie die bereits im Versuch gestorbenen Tiere seziert. Die bei der Tierbeobachtung und der Sektion festgestellten Symptome und Veränderungen werden dokumentiert.
Die 12-monatige Testung auf toxische Wirkung an Hunden erfolgt nach den OECD-Prüfrichtlinien Nr. 452. Dabei wir die Substanz bis zur maximalen tolerierbaren Dosis (MTD) gegeben. Die MTD ist die Dosis, bei der zwar keine Tiere sterben, aber klinische Symptome auftreten.
Bei inhalationstoxikologischen Prüfungen gibt es ebenfalls eine „akute“, eine „subakute“ (28 Tage) und „subchronische“ (90 Tage) Studie. Die Tiere werden dabei der gas- oder aerosolförmigen Testsubstanz ausgesetzt. Dies geschieht entweder als Ganzkörperexposition in einem Raum oder mit einer Maske über Kopf oder Nase.
Die Substanz muss in der Regel 6 Stunden am Tag eingeatmet werden. Bei der 28- oder 90-Tage-Studie findet dies 5 oder auch 7 Tage in der Woche statt.
Das Ausmaß der Schmerzen, Leiden und Schäden für die Hunde kann bei diesen Prüfungen je nach der Toxizität der Testsubstanz gering bis hochgradig sein.
Erbrechen, Durchfall, Atemnot, Augen‐ und Nasenausfluss, Speichelfluss, Zittern, Krämpfe, Lähmungen, schmerzbedingte Aggression, Benommenheit, komatösen Zuständen, Verharren in Bauch- oder Seitenlage, klagende Lautäußerungen etc. sind mögliche Symptome. Zum Teil sind die Schäden so schwer, dass die Tiere vorzeitig sterben oder eingeschläfert werden müssen.
Seit einigen Jahren problematisieren Industrie und Verbände den Einsatz von Hunden bei Giftigkeitsprüfungen (1, 2, 4, 5). Insbesondere die 12-Monats-Studie wird kritisiert und infrage gestellt, da sie gegenüber den 90-oder 180-Tage- Studien keine neuen Erkenntnisse liefert (1, 4). Für landwirtschaftliche Chemikalien und Pestizide wird die 12-Monats-Studie bei Hunden für nicht mehr erforderlich gehalten (1). Für Studien mit Pestiziden könnte nach Expertenmeinung ein Prüfzeitraum von maximal 3 Monaten ausreichen (3). Auch könnte der Einsatz von Hunden bei gesetzlich vorgeschriebenen toxikologischen Arzneimittelprüfungen reduziert werden, wenn das Datenmanagement optimiert würde (4).
Tierversuche in der Zahnheilkunde
Mindestens seit den 60er Jahren zeigen Forschungsergebnisse, dass der Einsatz von Hunden als Tiermodell in der Zahnmedizin fragwürdig ist. Und 2001 kommt eine Dissertation zu der Schlussfolgerung: „Die gravierenden Unterschiede des Hundes hinsichtlich der Kau- und Ernährungsphysiologie, der oralen Hygiene sowie die Abweichungen im Aufbau und Regenerationsverhalten des Kieferknochens im Vergleich zum Menschen stellen die Eignung des Hundes als Modell für die Parodontologie in Frage“(5).
Entgegen dieser Erkenntnisse werden immer noch Hunde (Beagle und Foxhound) für Tierversuche in der Zahnheilkunde, insbesondere im Bereich der Parodontologie und Implantologie, eingesetzt.
Hierbei werden den Tieren z.B. mehrere Zähne gezogen und nach einer Heilungsphase Implantate eingesetzt. Wiederum nach einer Wartezeit wird an dieser Stelle ein Stück vom Zahnfleisch herausgeschnitten. Dann werden die Zähne und die Implantate dreimal wöchentlich mit einer Zahnbürste gereinigt. Nach weiteren 8 Wochen wird durch Abtragen der obersten Schleimhautschicht mit einem Bohrer ein chronischer Zahnfleischschaden gesetzt. Die so entstandenen Gewebeschäden werden mit selbstauflösender Kollagenmatrix aus Schweinegewebe gefüllt. Nach einer Heilungsphase von 12 Wochen werden alle Tiere getötet und die Ergebnisse anhand von Gewebeproben untersucht (6). Auch werden nach der Entfernung von Backenzähnen künstliche Knochendefekte durch Bohren von Löchern in den Kieferknochen erzeugt, bevor Implantate gesetzt werden (7). Diese Kieferknochenlöcher werden auch mit verschiedenen Materialien gefüllt, die die Heilung beschleunigen sollen. Das Zahnfleisch wird darüber vernäht. Wochen später werden die Hunde getötet und die Kieferknochen untersucht (8).
Teilweise werden den Hunden bei solchen Versuchen insgesamt 20 Zähne gezogen, bevor dann weiter das Zahnfleisch und die Kieferknochen künstlich geschädigt und mit Materialien oder Implantaten gefüllt werden (9).
Literatur
1) R. J. Box, H. Spielmann (2005): Use of the dog as non‐rodent test species in the safety
testing schedule associated with the registration of crop and plant protection
products (pesticides): present status. Arch Toxicol 79: 615–626.
2) C. L. Broadhead, G. Betton, R. Combes, S. Damment, D. Everett, C. Garner, Z. Godsafe,
G. Healing, R. Heywood, M. Jennings, C. Lumley, G. Oliver, D. Smith, D. Straughan, J.
Topham, R. Wallis, S. Wilson, P. Buckley (2000): Prospects for reducing and refining
use of dogs in the regulatory toxicity testing of pharmaceuticals. Hum Exp Toxicol
19:440–447.
3) D. Smith Animal Research & Welfare Advisory Group, P. Trennery: Preclinical Drug
Safety Advisory Group (2002): Non‐Rodent Selection in Pharmaceutical Toxicology. A
‘Points to Consider’ document, developed by the ABPI in conjunction with the UK
Home Office.
4) B. van Ravenzwaay, I. Fegert (2009): Initiatives to decrease redundancy in animal testing of pesticides. Altex 26, S. 148. http://www.altex.ch/resources/rBS12_Ravenzwaay4.pdf
(5) Judith Isabel Steible: Der Hund als Tiermodell in der Parodontologie am Beispiel der rekonstruktiven Parodontitistherapie; Dissertation Tierärztliche Hochschule Hannover, 2001.
(6) Frank Schwarz, Ilja Mihatovic, Yoshinori Shirakata, Jürgen Becker, Dieter Bosshardt, Anton Sculean: Treatment of soft tissue recessions at titanium implants using a resorbable collagen matrix: a pilot study; Clinical Oral Implants Research 2014: 25; 110-115
(7) L. Ritter, M. C. Elger, D. Rothamel, T. Fienitz, M. Zinser, F. Schwarz, J. E. Zöller: Accuracy of peri-implant bone evaluation using cone beam CT, digital intra-oral radiographs and histology; Dentomaxillofacial Radiology 2014: 43; 20130088)
(8) Henning Schliephake, Mona Drewes, Ilja Mihatovic, Frank Schwarz, Jürgen Becker, Gerhard Ilghaut: Use of a self-curing resorbable polymer in vertical ridge augmentation - a pilot study in dogs; Clinical Oral Implantation Research 2014: 25, 435-440)
(9) Dongyun Wang (1,2), Andreas Künzel*, Vladimir Golubovic, Ilya Mihatovic, Gordon John, Zhuofan Chen, Jürgen Becker, Frank Schwarz: Accuracy of peri-implant bone thickness and validity of assessing bone augmentation material using cone beam computed tomography; Clinical Oral Investigations 2012: DOI 10:1007/s00784-012-0841-y)