© Tierheim Rüsselsheim
Außenbereich für Hunde im Tierheim.
Es entstehen doch sicherlich auch besondere Beziehungen zwischen Tier und ehrenamtlichem Helfer. Können Sie uns eine erzählen, die sie besonders in Erinnerung haben?
Die Beziehungen entstehen oftmals gerade mit schwierigeren Hunden, da die Ausführer, die regelmäßig ins Tierheim kommen, sich mit diesen Hunden geduldig anfreunden und die Tiere dann schon sehnsüchtig auf „ihren“ Begleiter warten. Manchmal sind solche Hunde jahrelang im Tierheim und irgendwann werden sie von den Menschen, die so lange an ihrer Seite waren, übernommen und haben endlich ein Zuhause. Es gab einen wunderschönen Pyrenäenberghund namens Pancho, der seinen Besitzer angegangen war, um ein anderes Familienmitglied zu „schützen“. Deswegen sollte er eingeschläfert werden. Er kam zu uns und gleich bei seiner Ankunft ging alles schief. Pancho sollte verträglich mit anderen Hunden sein, deshalb wurde er zu einer freundlichen Huskyhündin in das Gehege gesetzt. Keine Chance, Pancho verfolgte die arme Hündin und das Schlimmste war, dass weder Pfleger noch ich selbst eingreifen konnten. Pancho kam mit hocherhobener Rute und gefletschten Zähnen unmissverständlich auf jeden zu, der den Zwinger betreten und eingreifen wollte. Wir hatten einen Ausführer, der mit unseren sehr großen und schwierigen Hunden sehr gut zurechtkam. Zu unserem Glück war er auf dem Gelände und eilte zur Hilfe. Erstaunlicherweise konnte der Ausführer das Gehege betreten, jedoch umkreiste ihn Pancho und ich hielt die Luft an. Als Pancho ganz dicht war und wir alle mit einem Angriff rechneten, berührte der Ausführer ihn kaum sichtbar mit der Leine auf der Nase. Pancho setzte sich und schaute ihn an, nahm dann ein Leckerchen aus seiner Hand. So etwas hatte ich noch nie erlebt und habe es auch nicht mehr in meiner langjährigen Tierheimlaufbahn erleben dürfen. Der Hund konnte rausgeholt werden. Pancho konnte nur von diesem Ausführer betreut werden. Nach ungefähr einem Jahr wurde Pancho von ihm übernommen. Es dauerte eine Weile, bis der Vierbeiner mit Fremden zuverlässig wurde. Allerdings wurde er elf Jahre alt und hatte Glück. Herr und Hund waren ein tolles Gespann.
Könnte die Tierschutzarbeit auch ohne Ehrenamtliche auskommen?
Nein, auf keinen Fall. Die meisten Tierschutzvereine sind schon mit den alltäglichen und medizinischen Versorgungskosten der Tierheimtiere am Limit, da wird jede zuverlässige ehrenamtliche Person dringend gebraucht.
Wie hat sich die ehrenamtliche Arbeit bei Ihnen durch Corona verändert?
Die Vermittlung wurde noch betreuungsintensiver: In "normalen Zeiten" konnten die Interessenten für ein Tier unangemeldet zu unseren regulären Öffnungszeiten ins Tierheim kommen, die Tiere anschauen und im (auch mit ehrenamtlichen Helfern besetzten) Büro anfragen, ob das Tier passen könnte. Jetzt müssen wir im Vorfeld online mit Interessentenzetteln, DSGVO-Fragebogen und Telefonaten so viel als möglich abklären, da wir die Tierinteressenten ins Tierheim nur dann einladen können, wenn eine Vermittlung sehr wahrscheinlich ist. Der Schutz der Mitarbeiter ist äußerst wichtig, wer sollte bei einem Ausbruch von Corona ca. 400 Tiere versorgen?
Was sind die größten Herausforderungen, vor allem in so einem Jahr, in dem Corona vieles „unmöglich“ macht bzw. erschwert?
Finanziell zu überleben, das war und ist sicherlich die größte Herausforderung, da wir unsere Tierschutzarbeit nicht eingeschränkt haben und diese auch auf keinen Fall einschränken wollten.
Welche Unterstützung benötigen Sie am meisten bzw. wünschen Sie sich?
Die Menge der unkastrierten, oftmals kranken und verunfallten Katzen sind für ein Tierheim mit der vertraglichen Verantwortung für zwölf Kommunen kaum noch regelbar. Wir haben im Jahr 2019 ca. 650 Katzen kastriert, haben aber immer noch in allen Kommunen sehr viel Kummer und Sorgen mit herrenlosen Katzen. Nicht nur in Schrebergärten sind sie zu finden, auch in Wohngebieten siedeln sich Katzenmütter in leerstehenden Kaninchenbauten an. In einer Zivilisation, wie der unseren, ist das ein Armutszeugnis für die Gesellschaft. Wir benötigen dringend eine Katzenschutzverordnung, die das Kastrieren von Katzen ab einem Alter von fünf Monaten sowie das Registrieren in einem Haustierregister wie TASSO vorschreibt. Wie sonst sollen wir das Elend eindämmen? Verunfallte Katzen werden von ordentlichen Bürgern nachts in Kliniken gefahren. Da entstehen erhebliche Kosten. Und, da wir - der Tierschutzverein als Dienstleister - für die Kommunen tätig sind, müssen wir diese übernehmen. Ganz klar, je mehr herrenlose Tiere nachts futtersuchend herumirren, desto mehr verunfallte Katzen gibt es. Die Statistik und die Tendenz sind absolut steigend. Wir sind im Gespräch mit den Kommunen und mein größter Wunsch ist eine Katzenschutzverordnung und zwar überall!
Über Claudia Kemmler
Schon als kleines Mädchen war Tierschutz für mich ein Thema. Meine Mutter versorgte 1962 bereits herrenlose Katzen und war im Tierschutz aktiv. Was es für mich bedeutet, für die Tiere da zu sein? Sicherlich hat es etwas mit der familiären „Vorbelastung“ zu tun. Tierschutz war in den 70ger Jahren noch kein gesellschaftliches Anliegen. Ich begriff sehr schnell, dass bei all unseren Emotionen auch eine finanzielle Grundlage geschaffen werden musste. Wenn man diesen traurigen streunenden Tieren helfen wollte, mussten Strukturen, Gesetze und vor allem Tierheime her. Mein Antrieb? Dort helfen, wo man im Tierschutz gebraucht wird, auch im Auslandstierschutz. Die langjährige Tierschutzarbeit hat sich für die Tiere gelohnt. Immer wieder stieß ich auf gleichgesinnte Personen, denen das Wohl der Tiere genauso am Herzen lag wie mir. Es waren nicht nur die Hunde und Katzen, für die es galt, Haltung und Leben zu verbessern, auch die Kleintiere haben in den letzten Jahrzehnten endlich eine Lobby für bessere Haltungsbedingung gefunden. Ich freue mich, dass die langjährige Arbeit mit einem gleichgesinnten Team, zu Verbesserungen der Haltungsbedingungen der Tiere geführt hat. Mein Antrieb ist es, dort zu helfen, wo man im Tierschutz gebraucht wird, auch im Auslandstierschutz.