Vergesellschaftung von Kaninchen

Damit die Zusammenführung klappt, sind die richtige Partnerwahl und Durchführung wichtig

© Burg Nagezahn e.V.

(Experten-Beitrag von Burg Nagezahn e.V.)

Kaninchen sind sehr soziale Tiere und das Zusammenleben mit einem Partnertier ist für jedes Kaninchen ein Grundbedürfnis. Auch wenn es sehr soziale Tiere sind, passt nicht jede Kaninchenkonstellation. Immer wieder landen Kaninchen im Tierschutz, weil eine Vergesellschaftung nicht geklappt hat. Häufig liegt das Problem bei der falschen Partnerwahl, aber es werden auch schwerwiegende Fehler bei der Durchführung der Vergesellschaftung gemacht. 

Werden jedoch einige wichtige Punkte beachtet, dann kann eine Vergesellschaftung sehr wahrscheinlich gelingen.

Diese Grundvoraussetzungen sollten vor der Vergesellschaftung geklärt werden

Geschlechtsbestimmung: Eine wichtige Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Vergesellschaftung ist, dass die Geschlechter richtig bestimmt wurden. Durch eine falsche Bestimmung kann es zu ungewolltem Nachwuchs kommen. Innerhalb eines Jahres können aus einem Kaninchenpärchen mehr als 50 Kaninchen entstehen. Kaninchenmännchen werden schon mit ca. 12 Wochen geschlechtsreif und sind dann bereits in der Lage, das Muttertier zu decken. Es ist dringend anzuraten, das Kaninchenmännchen mit 11 Wochen zu kastrieren. Durch diese sogenannte Frühkastration werden die Böcke gar nicht erst geschlechtsreif und können bei den Weibchen bleiben. Erwachsene Männchen sind nach der Kastration noch bis zu 6 Wochen zeugungsfähig und müssen in dieser Zeit von Weibchen separiert werden. Bei der Aufnahme eines kastrierten Männchens, sollte sichergegangen werden, dass es wirklich kastriert ist. Hier kommt es nicht selten zu Fehleinschätzungen, denn Kaninchenmännchen können ihre Hoden einziehen oder auch innenliegende Hoden haben („Kryptorchide“).

Neben der Gefahr der unkontrollierten Vermehrung kann es durch eine falsche Bestimmung der Geschlechter auch zu ungünstigen Konstellationen kommen, die nach einer missglückten Vergesellschaftung dann nicht selten mit der Abgabe eines Tieres enden. Eine Geschlechtsbestimmung sollte immer von einer fachkundigen tierärztlichen Praxis oder erfahrenen Tierpfleger:innen gemacht werden.

Pärchenhaltung: Sehr entscheidend für eine erfolgreiche Kaninchenvergesellschaftung ist die richtige Partnerwahl. Bei einer Pärchenhaltung ist immer eine Konstellation aus einem kastrierten Männchen und einem Weibchen anzuraten. Gleichgeschlechtliche Pärchen scheitern leider häufig. Manchmal scheitern die Kaninchenbeziehungen auch erst nach Monaten und Jahren. Es bringt leider jedoch häufig große Probleme mit sich, weil häufig ein Kaninchen abgegeben werden muss, um ein passendes neues Partnertier aufzunehmen. Eine Gruppenhaltung von mehreren Kaninchen ist natürlich auch möglich, bedarf jedoch manchmal viel Geduld, Platz, eine gute Einschätzung der Charaktere und Flexibilität.

Gruppenhaltung: Bestenfalls werden in einer Gruppe von jedem Geschlecht gleich mehrere Kaninchen gehalten. Bei einer ungeraden Zahl sollten mehr Kaninchen von dem Geschlecht aufgenommen werden, die harmonischer bzw. weniger dominant sind. In einer Gruppe spielen die verschiedenen Charaktere also eine wichtige Rolle. Nicht jedes Kaninchen ist geeignet für Gruppenhaltung, zum Beispiel auf Grund von Krankheit oder des individuellen Charakters. Es sollte auch immer bedacht werden, dass sich im Laufe der Zeit Gruppenprobleme entwickeln können und eine Separierung von einem Kaninchen bzw. einem Pärchen notwendig ist. Bei einer Gruppenhaltung sollte immer ein Plan B vorhanden sein.

Alt- und Jungtier: Der Mythos, dass eine Vergesellschaftung von einem erwachsenen Kaninchen mit einem Jungtier ganz einfach und sinnvoll ist, ist falsch. Die Verletzungsgefahr für das Jungtier ist sehr hoch, denn den sogenannten ,,Welpenschutz“ gibt es nicht. Im Weiteren können in der Pubertätsphase des Jungtieres Komplikationen auftreten. Die Kaninchenkinder verändern sich in der Pubertät und testen auch neue Grenzen aus. Es ist ratsam bei der Wahl von Partnertieren immer auf ein ungefähr gleiches Alter zu achten.  Ein paar Jahre Unterschied sind kein Problem, aber ein 1-2 jähriges Kaninchen mit einem 10-jährigen Kaninchen zu vergesellschaften, ist in der Regel kein guter Plan. Für das jüngere Kaninchen kann es sehr langweilig werden, während das ältere Tier sich gestresst fühlt. Es gibt jedoch auch Ausnahmen und manchmal funktionieren solche Kombinationen auf Grund von Erkrankungen bzw. körperlichen Einschränkungen oder auch aufgrund der passenden Kaninchencharaktere gut.

Körpergröße: Es ist sinnvoll, auf eine ungefähr gleiche Körpergröße der Kaninchen zu achten. Besondere Vorsicht ist bei Riesen- und Zwergrassen wie z. B. Deutscher Riese oder Farbenzwerg geboten. Bei einer Vergesellschaftung dieser so unterschiedlichen Rassen kann es zu schweren Verletzungen kommen. In einer größeren Gruppen ist es möglich auch verschiede Gewichtsklassen zusammen zu halten, aber das sollte stark vom Charakter der großen Kaninchen abhängig gemacht werden. In einer großen Gruppe, sollten von den verschieden großen Kaninchen jeweils mindestens zwei vorhanden sein.

Krankheitsprophylaxe: Die Kaninchen sollten einen aktuellen Impfstatus haben und Zahnkontrollen sollten generell regelmäßig und insbesondere vor einer Vergesellschaftung gemacht werden. Eine Kotprobe ist vor einer Vergesellschaftung bzw. allgemein beim Einzug eines neuen Kaninchen anzuraten.

Wichtige Hinweise zur Vergesellschaftung

Ablauf einer Vergesellschaftung

Die Durchführung des Kennenlernens bzw. der Vergesellschaftung ist meist für Mensch und Tier großer Stress. Um eine gute Vergesellschaftung zu ermöglichen, sollten beim Ablauf einige Punkte unbedingt beachtet werden.

  • Vor der Vergesellschaftung dürfen sich die Kaninchen weder sehen noch riechen. Sie sollten sich auf keinen Fall mehrere Stunden oder Tage durch ein Gitter kennengelernt haben. Diese Form des Kennenlernens kann Aggressionspotenzial wecken bzw. die Kaninchen frustrieren.
  • Kaninchen sind sehr körperbetonte Tiere. Sie brauchen meist viel Körperkontakt zu ihren Artgenossen und kuscheln viel. Beim Kennenlernen geht es deswegen teilweise sehr wild zu.
  • Rammeln, Jagen und Kämpfen gehören zur einer Kaninchenvergesellschaftung dazu und sind völlig normale Verhaltensweisen. Wie ausgeprägt diese Verhalten sind, ist immer unterschiedlich. Wichtig zu wissen ist, dass diese Interaktionen während einer Vergesellschaftung normal und wichtig sind. Sollte gar nichts passieren, ist es sogar ein schlechtes Zeichen. Die Kaninchen haben dann ihre Rangordnung nicht geklärt und wenige Tage oder Wochen später kann es zu schweren Auseinandersetzungen kommen. In der Regel sind Kaninchen jedoch auch sehr klärungsfreudig und die Kämpfe lassen nicht lange auf sich warten.
  • Die Vergesellschaftung sollte am besten in den Morgenstunden angefangen werden. Die Kaninchen werden die ersten paar Stunden kämpfen, jagen etc. und in den Mittags- und Nachtmittagsstunden ist es meist recht ruhig und die Kaninchen ruhen sich etwas aus. Kaninchen sind eher nacht- und dämmerungsaktiv und so wird es in den Abendstunden wieder zu vermehrten Auseinandersetzungen kommen. Es ist empfehlenswert, dass an den ersten drei Tagen eine Person vermehrt zu Hause ist und ein Auge auf die Vergesellschaftung hat. Es sollte jedoch keine Person die ganze Zeit neben dem Gehege stehen, denn das könnte zu Verunsicherung bei den Kaninchen führen. Während der Vergesellschaftung sollten sich die Menschen generell von den Kaninchen eher etwas distanzieren und ihre Anwesenheit auf das Nötigste wie die Reinigung des Geheges und die Fütterung beschränken. Schließlich sollen sich die Kaninchen miteinander beschäftigen und nicht mit uns Menschen. Besonders bei sehr menschenbezogenen Kaninchen fällt dies oftmals schwer, ist aber für eine erfolgreiche Vergesellschaftung umso wichtiger.

Ort der Vergesellschaftung

Die räumlichen Gegebenheiten sind sehr wichtig und meist ausschlaggebend für das Gelingen einer Vergesellschaftung, die immer auf neutralen Boden stattfinden sollte. Kaninchen sind sehr territoriale Tiere und würden stets ihr eigenes Territorium verteidigen. Bei einer freien Wohnungshaltung sollte der geplante Vergesellschaftungsraum  am besten 2-3 Wochen vor der Vergesellschaftung für alle Kaninchen unzugänglich gemacht werden.

  • Für zwei Zwergkaninchen sollte der Vergesellschaftungsort nicht größer als 4-5 qm groß sein. Hier gilt tatsächlich, dass ein zu großes Platzangebot häufig nicht zu empfehlen ist. Die Kaninchen bilden sonst Reviere und beschäftigen sich nicht miteinander. Das Gehege sollte unbedingt mit rutschfesten Unterlagen ausgelegt werden, sodass sie beim Jagen nicht ausrutschen.
  • Als Versteckmöglichkeiten bieten sich große Umzugskarton (mindestens 2-3) an, in die zwei große Ein- bzw. Ausgänge eingeschnitten werden. Die Kartons sind neutral und neu. Es sollten zwei Toiletten aufgestellt werden.
  • Durch eine großzügige Verteilung des Futters kann kein Kaninchen das Futter für sich alleine beanspruchen. In den ersten Stunden kann der Wassernapf erst mal weglassen werden, da die Kaninchen häufig durch laufen oder rein springen. Ausreichend frisches Grün ist natürlich wichtig! Zum Abend sollte der Wassernapf wieder ins Gehege gestellt werden. Auf Äste zum Knabbern oder anderes kleines Spielzeug sollte in den ersten Tagen erst mal verzichtet werden, da es schnell zur Verletzungsgefahr bei den Kämpfen führen kann.

Auf dem neutralen Boden bleibt ein neu vergesellschaftetes Kaninchenpärchen mindestens (!) eine Woche. Manche Pärchenvergesellschaftungen benötigen jedoch auch mehrere Wochen. Auch wenn sie nach 2-3 Tagen schon harmonisch sind, sollten die Tiere nicht zu voreilig in das gewohnte Umfeld gelassen werden. Die Kaninchenbeziehung sollte sich erst richtig festigen. Bei Gruppen sollte deutlich mehr Zeit eingeplant werden (mehr als 2-3 Wochen), denn hier müssen mehrere Kaninchen ihre Rangordnung festlegen.

Verletzungen

Während einer Kaninchenvergesellschaftung kann es auch mal zu kleinen Verletzungen am Rücken oder an den Ohren kommen. Kleine Verletzungen sind kein Grund zum Abbruch der Vergesellschaftung. Ein Abbruch einer Vergesellschaftung ist anzuraten, wenn ein Tier das Fressen komplett eingestellt und oder es sehr viele Bissverletzungen hat.

Sollte ein Besuch in einer tierärztlichen Praxis notwendig sein und die Kaninchen verstehen sich schon ganz gut, dann müssen sie unbedingt zu zweit oder die ganze Gruppe transportiert werden. Ein Kaninchen, welches alleine von einem Ausflug zurückkommt, riecht anders und könnte somit angegriffen oder ausgeschlossen werden.

Gehege und Sauberkeit

Bei einer Vergesellschaftung ist es ganz normal, dass die Kaninchen häufig sehr unsauber sind. Mit Urin und Kot wird der neue Ort markiert. Zudem ist es eine Stresssituation und es sollte keine Sauberkeit erwartet werden. Wichtig ist deswegen, dass der Vergesellschaftungsort gut zu reinigen ist. Die Kaninchen bekommen während der Vergesellschaftung keinen zusätzlichen Freilauf sondern bleiben für die Zeit nur auf dem neutralen Boden.

Sollten Zäune zur Umrandung verwendet werden, sollten 70-80 cm nicht unterschritten werden. In Außenhaltung sollte die Vergesellschaftung nicht mit einem flexiblen Zaun auf dem Rasen gemacht werden, sondern auch auf einem sicheren neutralen Boden, wie z. B. in einer Garage, im Schuppen oder im kühlen Keller.

Während die Kaninchen sich kennenlernen, können die Menschen den alten Kaninchenbereich grundreinigen und etwas umgestalten.

Nach einer erfolgreichen Vergesellschaftung können die Kaninchen wieder in das eigentliche Gehege umziehen. Erfolgreich ist, wenn die Kaninchen sich nicht mehr jagen, entspannt zusammen fressen und vielleicht sogar schon zusammen liegen. Es ist normal, dass es auch nach dem Umzug noch mal zu kleinen Auseinandersetzungen kommt.

Kaninchenbeziehungen

Bei plötzlich auftretenden Problemen in der Kaninchenbeziehungen, sollte dringend Ursachenforschung betrieben werden. Häufig liegt die Ursache in gesundheitlichen Problemen und damit einhergehende Schmerzen. Nicht selten sind bei unkastrierten Weibchen auch hormonelle Probleme die Ursache und eine Kastration kann helfen. Kaninchenbeziehungen sind spannend, manchmal frustrierend und unglaublich schön. Wir können als Kaninchenhalterinnen gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vergesellschaftung schaffen, aber Kaninchen sind auch alle Individuen und bringen ihre eigenen Charaktere und Geschichten mit.

Tierschutzvereine nehmen in der Regel ihre Kaninchen immer zurück, sollte eine Vergesellschaftung mal nicht funktionieren. Diese Absicherung ist ein großer Vorteil, denn viele Tierheime und Pflegestellen sind überfüllt mit Kaninchen. Bei einer Privataufnahme oder bei einem Kauf muss man meist alleine eine neue Lösung für die Kaninchen finden.

Eine Einzelhaltung für Kaninchen ist tierschutzwidrig und niemals eine Lösung. Für jedes Kaninchen gibt es ein passendes Partnertierkaninchen. Kaninchenliebe kennt kein Alter. Egal wie alt ein Kaninchen ist, es muss immer für ein Partnerkaninchen gesorgt werden.


Über die Autoren: Die Burg Nagezahn e.V. ist ein Lebenshof für Nagetiere und Kaninchen in Brandenburg. Es wird durch ein positives Vorleben gezeigt, wie Mensch und Tier zusammenleben können und wie viel Platz diese kleinen Tiere benötigen. So findet man auf der Burg Nagezahn e.V. viele liebevolle und große Lebensräume für die so häufig unterschätzten Tierarten, wie Meerschweinchen, Hamster, Degus uvm. Auf den sozialen Netzwerken, mit Artikeln und Führungen vor Ort macht die Burg Nagezahn auf die Bedürfnisse von Nagetieren und Kaninchen aufmerksam. www.burg-nagezahn.de

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