(Expertinnen-Beitrag von Denise Riggers)
Was eine Katze aus dem Tierschutz in ihrem Leben vor der Adoption alles erlebt hat, kann ganz unterschiedlich sein. Manche Tierschutzkatzen sind auf einer liebevollen Pflegestelle aufgewachsen und kennen das Leben in einer Familie von klein auf. Einige wurden erst viel später gefangen und haben vorher noch nie ein Haus von innen gesehen. Andere haben ihr Zuhause verloren und können es kaum erwarten, endlich wieder in eine neue Familie zu ziehen. Und wieder andere mussten in ihrem Katzenleben schon viel Schlimmes erleben und haben einfach Angst vor allem Neuen, was auf sie zukommt.
Je nachdem welches Rucksäckchen das neue Familienmitglied mit sich bringt, kann es also unterschiedlich lange dauern und mehr oder weniger Unterstützung benötigen, bis eine Katze sich in ihr neues Zuhause eingewöhnt hat und ihrer neuen Familie vertraut. Mit einigen Tipps wird aber für jede Katze die Eingewöhnungsphase um einiges leichter.
Fünf wertvolle Tipps zur Eingewöhnung einer Tierschutzkatze
- Das Ankunftszimmer
Wenn in einer neuen Umgebung direkt zig neue Eindrücke auf sie einprasseln, kann das erstmal ganz schön überfordernd sein.
Viel schöner ist es deshalb, direkt nach dem Umzug in einem ruhigen Zimmer erst einmal „anzukommen“. Wenn die Katze sich darin wirklich sicher fühlt und neugierig mehr vom neuen Zuhause sehen will, kann sie von diesem sicheren Hafen aus erste Erkundungstouren starten. Wann genau dieser Zeitpunkt gekommen ist, ist von Katze zu Katze unterschiedlich.
Was gehört alles in Ankunftszimmer?
- min. ein Katzenklo, besser zwei
- leckeres Futter, das die Katze schon kennt
- ein gut gefüllter Wassernapf, möglichst weit weg von Katzenklo und Futternapf
- eine Kratzgelegenheit
- evtl. ein paar kleine Spielzeuge
- min. ein bequemes, kuscheliges Versteck
- gut geeignet sind dazu z. B. umgedrehte Kartons mit einem katzengroßen Eingangsloch und einer gemütlichen Decke darin
- „Care-Paket“ für die ersten Tage
Der Umzug in ein neues Zuhause bringt unglaublich viele Veränderungen auf einmal mit sich. Je mehr die Katze im neuen Zuhause schon kennt, umso leichter wird ihr die Umstellung fallen.
Es lohnt sich deshalb immer, die bisherigen Streu- und Futtersorten vor dem Umzug zu erfragen und je eine kleine Portion davon für die ersten Tage zu besorgen. Nach ca. drei Tagen kann dann bei Bedarf auf eine neue Sorte umgestellt werden, indem über einige Tage jeden Tag etwas mehr von der neuen Sorte in die bisherige untergemischt wird. Gerade beim Futter ist eine langsame Umstellung besonders wichtig, da es sonst durch die Kombination aus Umzugsstress, neuer Umgebung und ungewohntem Futter leicht zu Magen-Darm-Problemen kommen kann.
Wenn Decken oder Spielzeuge mit bekannten Gerüchen aus dem bisherigen Zuhause mit umziehen können, macht das alles gleich noch angenehmer.
- Langsames Anfreunden
Katzen finden es oft gruselig, direkt ungefragt durchgekuschelt zu werden. Viel netter ist es dagegen, wenn sie selbst entscheiden können, wann sie Kontakt möchten. Am besten bietet man dem Neuankömmling also einen sicheren Rückzugsort an, an dem ihn auch wirklich niemand stört. Ein Stück davon entfernt kann man sich ruhig hinsetzen, bei Blickkontakt langsam blinzeln (ein eindeutiges Signal an die Katze „ich tue dir nichts“) und ihr Futter anbieten und freundlich mit ihr sprechen. Je nach Charakter und Vorgeschichte der Katze sind dann relativ bald auch erste Spiele mit der Spielangel oder erstes Streicheln möglich.
Wohnen andere Katzen, Hunde oder kleine Kinder mit im Haushalt, sollten die ersten Begegnungen auf keinen Fall unbeaufsichtigt stattfinden. Der oft empfohlene Rat „Die machen das unter sich aus“ geht in der Regel nämlich ziemlich nach hinten los und statt einer beginnenden Freundschaft erlebt die neu eingezogene Katze womöglich direkt ein Trauma und wird dann umso länger brauchen, um Vertrauen aufzubauen. Unter der sicheren Begleitung eines Erwachsenen sind dagegen freundliche erste Begegnungen, z. B. an einer Gittertür möglich, während es mit etwas Abstand zueinander einige Leckereien für alle gibt.
Wenn alle Beteiligten viele gemeinsame positive Erfahrungen in diesem gesicherten Rahmen gemacht haben, dürfen sie dann langsam Schritt für Schritt auch mehr zusammen erleben.
- Step by Step
Auch wenn am liebsten alle Freunde und Verwandten das neue Kätzchen sofort kennenlernen wollen – erst sollte das neue Familienmitglied sich ein kleines bisschen eingewöhnen können. Große zusätzliche Stressfaktoren wie Besuch oder Bauprojekte in der Wohnung sollten also lieber erst eine ganze Weile nach dem Einzug stattfinden. Katzen, die sich in ihrer Umgebung sicher fühlen und sich jederzeit in ein bekanntes, sicheres Versteck zurückziehen können, kommen mit solchen neuen Erlebnissen nämlich viel besser zurecht.
- Vertrauensaufbau
Vertrauen baut sich nicht von einer Minute auf die andere auf, sondern darf wachsen. Einige Katzen brauchen dafür eine ganze Weile und viel Unterstützung, andere fühlen sich schon nach wenigen Stunden pudelwohl. Einer eher schüchternen Katze kann man dabei helfen, indem man nicht einfach nur abwartet, ob sie sich irgendwann von selbst an die Situation gewöhnt, sondern selbst für positive gemeinsame Momente sorgt. Zum Beispiel indem man ihr immer wieder Leckereien anbietet und dann ruhig in einer anderen Ecke des Zimmers wartet, während sie frisst. Klappt das schonmal, kann der Abstand zwischen Mensch und Katze beim Fressen jeden Tag ein wenig kleiner werden, bis irgendwann die ersten Leckerlies direkt aus der Hand genommen werden. Auch gemeinsames Clickertraining ist beim Aufbau einer guten Beziehung eine sehr große Hilfe.
Zusätzlich zu viel Geduld und Verständnis können auch unterstützende Maßnahmen wie Pheromonverdampfer helfen, die Eingewöhnungszeit zu verkürzen.
Und ganz egal, ob das neue Familienmitglied erst nach Wochen oder schon innerhalb weniger Stunden Vertrauen fasst – danach liegt ein ganzes Katzenleben voller schöner gemeinsamer Momente vor dem neuen Katze-Mensch-Team.
Über die Autorin: Denise Riggers ist Tierärztin, Katzentrainerin und Katzenverhaltensberaterin. Als ehrenamtliche Pflegestelle hat sie bereits über 30 ehemalige Straßenkatzen und -Kitten aufgezogen, gesund gepflegt und erfolgreich vermittelt. Auf ihrem Instagram Account @kitcats_katzenverstehen klärt sie über artgerechte Katzenhaltung auf.